Eine Entgegnung auf die Kritik von John Horne und Alan Kramer im Vorwort ihrer Neuausgabe von 2018
Gunter Spraul
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
18. März 2019

Die Aussagen des Buches von Horne und Kramer sind nicht unumstritten geblieben.1 Ich selbst habe 2016 einen Beitrag zu dieser Kritik geleistet,2 im folgenden Jahr tat dies Ulrich Keller mit einer weiteren Untersuchung.3 Auf diese doppelte Kritik sind die beiden Autoren nunmehr in einem 22 Seiten umfassenden Vorwort eingegangen, in dem sie die von uns beiden vorgetragene Gegendarstellung zu ihrem Buch als im Grunde völlig unbegründet zurückweisen. Im Folgenden will ich auf die an mir geäußerte Gegenkritik eingehen.

Diese lässt sich unter drei Gesichtspunkten ordnen. Zuerst wollen Horne und Kramer anhand von fünf Beispielen zeigen, wie vollkommen unbegründet mein Vorwurf sei, „gravierende handwerkliche Fehler entdeckt“ zu haben. Sie räumen zwar ein, dass es in diesen Fällen Ungenauigkeiten und „vermutliche“ Fehler gebe, dem Leser werden diese Fälle aber zugleich als mehr oder weniger unwichtige Bagatellen dargestellt.

Dann gibt es sieben Fälle, bei denen sie ganz entschieden „keinen Korrekturbedarf zu erkennen vermögen.“ Und letztlich gibt es drei Fälle, die den aus ihrer Sicht begrenzten Wert von Truppengeschichten als Quelle belegen sollen. (Horne/Kramer, S. IIIf., XI).

Ein weiterer Punkt, vielleicht nicht einmal der unwichtigste, ist ein Komplex von Fragen und Sachverhalten, auf die die Autoren nicht eingehen, sei es, dass sie meine Darstellung in diesen Punkten als weniger wichtig oder vollkommen gegenstandlos einschätzen oder sei es, dass sie keine Argumente dagegen vorzutragen haben. Was ist zu diesen Punkten im Einzelnen zu sagen?

I.„Gravierende handwerkliche Fehler“?

Gewiss wird man Horne und Kramer zustimmen, dass es in einem konkreten Fall für sich allein ohne Belang ist, ob ein aktives oder ein Reserveregiment mit derselben Nummer für ein angebliches Verbrechen am 8. August 1914 verantwortlich gewesen sein soll. Im Zusammenhang ihrer Darstellung ergibt sich aber ein anderes Bild: Das Reserve-Infanterie-Regiment 39 sei an diesem Tag aus Düsseldorf an der Front eingetroffen, was durch den belgischen Kommissionsbericht und das Buch des Journalisten Gustave Somville aus dem Jahr 1915, das von ihnen als zuverlässige Quelle verwendet wird, untermauert werde: Beide „bestätigen sich gegenseitig in wesentlichen Punkten.“ (Horne/Kramer, S. 30, Anmerkung 31). Ich wollte mit diesem Beispiel die Notwendigkeitauch der Heranziehung von Truppengeschichten zur Klärung der einfachen Frage zeigen, ob einbestimmtesRegiment zu einembestimmten Zeitpunkt an einembestimmten Ort war. Denn in der Geschichte des R.I.R. 39 ist zu lesen, dass dieses Regiment erst am 15./16. August 1914 die belgische Grenze überschritten hat. Merkwürdigerweise wird von den beiden Autoren als Alternative zu diesem Infanterieverband dann noch eine deutsche Kavallerieeinheit als verantwortlich für „das Massaker in Herve“ angegeben. Dass es diese Truppe an dieser Stelle überhaupt gegeben hat, ist äußerst unwahrscheinlich.

Warum haben Horne und Kramer in ihrer Kritik an meinen „kleinlichen Einwänden“ (Horne/Kramer, S. VI) hier nicht das bei mir nachfolgende Beispiel der Auswirkungen eines bewussten Nicht- Heranziehens von Truppengeschichten aufgegriffen, das ich an gleicher Stelle (Spraul, S. 88f.) anführe? Nach ihrer Tabelle mit deutschen Kriegsgräueln 1914 (Horne/Kramer, S. 639) sollen vier Regimenter und ein Jägerbataillon am 20. August 1914 in Lüttich ein Kriegsverbrechen begangen haben. Ohne viel Aufwand lässt sich neben den Möglichkeiten, die das Reichsarchivwerk – vor allem mit Hilfe der dortigen Karten – bietet, auchan Hand der Truppengeschichten zeigen, dass keine dieser Truppen an diesem Tag in Lüttich oder in der Nähe von Lüttich gewesen ist. Und diese Tabelle bildet doch, wie sie betonen, „die Basis unseres Werkes.“ (Horne/Kramer, S. XII). Welche Erklärung für diesen Irrtum hätten sie wohl vorgebracht, wenn sie nur diese wenigen Zeilen weitergelesen hätten?

„Vermutlich“ soll ich weiter mit meiner Kritik Recht haben, dass in Parux keine bayerische Landwehrkompanie eingesetzt war, sondern das bayerische Infanterie-Leibregiment. (Horne/Kramer, S. III). Die falsche Auflösung dieser Abkürzung, obwohl die richtige nur Zeilen entfernt zu finden ist, ermöglicht eher die glaubhafte Darstellung einer Überreaktion von „alten Herren“ in einem unerwarteten Einsatz als bei einem Eliteverband. Ein Landwehreinsatz an vorderster Front in den ersten Kriegstagen hätte eigentlich einem Sachkenner sofort als wenig wahrscheinlich auffallen müssen. Was wird ein wenig sachkundiger Leser wohl mit der Einschränkung „vermutlich“ anfangen?

Einen ähnlichen Vorbehalt gibt es auch bei der von mir monierten Verwechslung des I.R. 160 mit dem I.R. 60. Die beiden Historiker machen an zwei Stellen (Horne/Kramer, S. 106, 518) unterschiedliche Angaben zum Einsatz dieser Regimenter in Gerbéviller, einmal eine richtige, einmal eine falsche. Die falsche Angabe habe ich beanstandet, ohne darauf hinzuweisen, dass es an dem anderen Fundort auch eine richtige Angabe gibt. Diesen Fehler habe ich übersehen. (Spraul, S. 34f.). Nun meinen Horne und Kramer zu ihrer zweiten (falschen) Darstellung: „Diese ist möglicherweise falsch, bedarf aber weiterer Prüfung.“ (Horne/Kramer, S. IIIf.). Dass das I.R. 160 zur 4. Armee, nicht zu der hier in Frage kommenden 6. (bayerischen) Armee gehörte, ist jedem Nachschlagewerk zu entnehmen. Wozu also eine „weitere Prüfung“?

Der Vornamen eines Generals ist – das muss man den Autoren wieder zugestehen – eigentlich ohne Bedeutung und so wird meine Kritik auch behandelt (Horne/Kramer, S. III). Aber im vorliegenden Fall geht es um eine Verwechslung von Personen: Nach der Darstellung von Horne und Kramer soll „der Kommandant von Brüssel, General von Lüttwitz“ im August 1914 befohlen haben, den Marsch der vertriebenen Geistlichen von Löwen „durch die Gegend“ zu beenden und sie freizulassen. (Horne/Kramer, S. 71). An anderer Stelle in ihrem Buch ordnen sie dem „Militärbefehlshaber in Brüssel“ den Vornamen Walther zu und stellen zugleich eine Verbindung zu dessen fragwürdiger Rolle im Kapp-Putsch 1920 her. (Horne/Kramer, S. 493). Da keine Zeugnisse aus deutscher Sicht vorliegen, können Horne und Kramer die angeblichen Aussagen „ihres“ Generals nutzen, um im Grunde die Thesen der damaligen belgischen Propaganda als glaubhaft erscheinen zu lassen. Zwar sei der General – wie sie einschränken – „überzeugt“ gewesen, „daß in Löwen Zivilisten auf deutsche Soldaten geschossen hätten“, er habe aber andererseits „dennoch […] sein Bedauern über das Niederbrennen der Bibliothek“ geäußert und soll darüber hinaus versprochen haben, „die Universität vor weiteren Beschädigungen zu beschützen.“ Weiter soll er auch „seine distanzierte Haltung gegenüber der antikatholischen Hysterie vieler seiner Soldaten“ zu erkennen gegeben haben.

„Kaiserlich deutscher Generalgouverneur Belgien – Brüssel“ war aber Generalmajor ArthurRudolph Freiherr von Lüttwitz, ein erfahrener und weltgewandter Militärdiplomat, dem man solche unbedachten, die eigenen Soldaten bloßstellenden Äußerungen wohl kaum zutrauen sollte.

II. „Kein Korrekturbedarf zu erkennen“?

Die deutsche Angriffsstärke beim „Handstreich auf Lüttich“

In der Literatur ist es meist üblich, die deutsche Stärke nach den Angaben im Reichsarchivwerk mit 25 000 Mann Infanterie und 8 000 Mann Kavallerie anzugeben. Horne und Kramer tun indes diese Zahlen als „herkömmlich“ ab, wohl in der Absicht, damit der belgischen Abwehrleistung größeres Gewicht zu verleihen. Sie gehen demgegenüber von einer infanteristischen Stärke von 30.000 Mann aus und kommen auf eine Gesamtzahl von „etwa 39 000 Mann.“ Grundlage ihrer Neuberechnung ist ein Hinweis in einer Regimentsgeschichte, eine Quelle, die sonst bei Verwendung durch mich als „problematisch“ eingestuft wird. Demnach habe das I.R. 165 wie die anderen Truppen auch „anscheinend […] Befehl [gehabt] , nicht ihre volle Stärke einzusetzen.“ (Horne/Kramer, S. 21, Anmerkung 4). Diesem Hinweis bin ich nachgegangen und habe für die Hälfte der eingesetzten Truppen die Ausrückestärken, die in den Truppengeschichten meist sehr genau angegeben sind, überprüft. Da noch vor Vollzug der Mobilmachung im immobilen Zustand ausrückt werden sollte, ergaben sich demnach in der Praxis Schwankungen zwischen 50 % und 100 % der Mobilmachungsstärke. So kommen die für den Leser des Vorwortes als willkürlich erscheinenden Zahlenangaben zustande, die mir Horne und Kramer vorhalten. Je nach relativer StärkeallerTruppen kommt man eben auf die eine oder andere Zahl. Die Zahl von 25 000 Mann Infanterie ist sicher durch eine solche Berechnung im Reichsarchiv zustande gekommen. Da jetzt auch Horne und Kramer erklären, dass diese Zahl „unserer Schätzung sehr nahekommt“, verstehe ich nicht, was eigentlich der Kritikpunkt an meiner Berechnungsmethode ist und wozu sie diese Frage überhaupt aufgegriffen haben.

Der Einsatz des I.R. 25 beim „Handstreich auf Lüttich“

Der Einwand betreff des von mir dargestellten Einsatzes des I.R. 25 ist berechtigt (Horne/Kramer, S. IV), meine Tabelle weist einen Fehler in der Datierung auf (Spraul, S. 607): Demnach war hier das Regiment am 4. August in Berneau eingesetzt, was andererseits von mir auf S. 31 bestritten wird. Nach der Regimentsgeschichte4 rückte das Regiment zwar am 4. August mit drei Bataillonen aus Aachen aus, konnte aber wegen der Sprengung der Maasbrücke nicht übersetzen und musste biwakieren, also fehlte es am 4. August tatsächlich. Am 5. August kam es demgegenüber in Berneau zu Kampfhandlungen – sowohl mit regulären belgischen Truppen wie auch mit Zivilisten. Nach der in der Regimentsgeschichte vorhandenen Verlustliste traten in Berneau Verluste am 5. und 6. August ein. Am 7. August erfolgte die Verstärkung des Regiments durch die „zweite Ausrückestärke“, d.h. auch dieses Regiment hatte am Anfang seines Einsatzes nicht die volle Einsatzstärke.

Die Kämpfe in Aerschot am 19. August 1914

Horne und Kramer halten mir vor, ich hätte unter Berufung auf die Regimentsgeschichte des I.R. 49 zu Unrecht von einer kampflosen Einnahme der Stadt geschrieben: „Sogar die spärlichen Bemerkungen im „Weißbuch“ zeigen das Gegenteil: Hauptmann Schleusener (I.R. 49) berichtete von Kämpfen in Aerschot am Nachmittag vom 19. August (Schüsse aus den Häusern, fliehende deutsche Kavallerie).“ (Horne/Kramer, S. IV).

Überprüfen wir die Aussage, die Hauptmann Schleusener am 29. November 1914 über den 19. August 1914 machte, gut drei Monate nach den Ereignissen. Zum Einmarsch in die Stadt wusste er gar nichts zu berichten, anders verhielt es sich mit dem späteren Geschehen: „Am späten Nachmittag“ sei er mit seiner MG-Kompanie „nach erhaltenem Sonderauftrage vom Nordausgang Aerschot in dieses Städtchen“ gekommen. Er hörte „einzelne Schüsse“, die er „für explodierende Munition hielt. Bald jedoch wurde ich durch zurückjagende Kavalleriepatrouillen und Fahrzeuge der Bagage der 3. Infanterie-Division, die Kehrt zu machen versuchten, eines andern belehrt. Ich sah selbst, nachdem es mir gelungen war, unser Feuer abzustoppen, Schüsse aus den Häusern fallen, worauf ich befahl, die Maschinengewehre freizumachen und die linken Häuserfronten unter Feuer zu nehmen.“ Auf ein Haus rechts habe er nicht feuern lassen, weil darin Verwundete lagen. (Weißbuch, S. 101; Sperrungen im Original).

Dass die Stadt nach zweistündigem Kampf eingenommen wurde, anders als es die Autoren darstellen, ist bei mir sehr wohl zu lesen, und zwar durch die Regimenter 34 und 42; das ihnen dagegen nachfolgende I.R. 49 selbst ist ohne Kampf eingerückt. (Spraul, S. 32). Schleusener ist mit seiner Kompanie ebenfalls ohne Kampf eingerückt, erst als er „amspäten [Hervorhebung durch Spraul] Nachmittag“ mit seiner Kompanie nach einer Detachierung zurückkam, fielen „einzelne Schüsse,“ auf Kavallerie und Trosse, also leichte Ziele für Schüsse aus dem Hinterhalt. Nach der Regimentsgeschichte I.R. 49 begann das Schießen „mitten in der Stadt […] 8 Uhr abends.“5 (S. 6).

Welches „Gegenteil“ wird demnach durch die Aussage Schleuseners belegt? Wohl kaum die Darstellung, das I.R. 49 sei kämpfend in Aerschot eingedrungen. Hauptmann Schleusener fiel übrigens einen Monat nach seiner Aussage, stand aber fünf Jahre nach seinem Tod auf der belgischen Auslieferungsliste der deutschen Kriegsverbrecher.

Die Gliederung einer Infanterie-Brigade

In Verbindung mit dem Geschehen in Aerschot räumen Horne und Kramer die Berechtigung meiner Kritik (Spraul, S. 32f.) an der von ihnen behaupteten Zusammensetzung der 8. Infanterie-Brigade zwar ein (Horne/Kramer, S. IV, Anmerkung 10), aber sie machen nicht deutlich, warum dieses Detail von Bedeutung ist: War der erhebliche Suchaufwand (Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg) wirklich erforderlich, um zu einem falschen Ergebnis zu gelangen? Und wie kommt es zu der fehlerhaften Unterscheidung zwischen Brigade und Division, obwohl in ihrem Anhang (Horne/Kramer, „Militärische Terminologie“, S. 661) die richtigen Angaben zu finden sind?

Die Studie des Generalstabes „Der Kampf in insurgierten Städten“

Die Autoren behaupten, dass sie „versehentlich“ von einer „Vorschrift“ des Generalstabes gesprochen hätten. (Horne/Kramer, S. IVf.). Es geht hier um mehr als um eine falsche Bezeichnung. Der Generalstab hatte nämlich gar keine Kompetenz, „Vorschriften“ zu erlassen, wie ich gezeigt habe. (Spraul, S. 40-43). Die ehemals „geheimen Weisungen“ [Plural] des Generalstabes sind jetzt – nach meiner Kritik? – korrekterweise zueiner „Studie“ des Generalstabes geworden. Eine mir unerklärliche, falsche Wiedergabe meiner Darstellung stellt weiter ihr Vorwurf dar, ich stellte „in Abrede“, dass eine diesbezügliche Bestimmung des Kriegsministeriums von 1912 „durchaus Weisungscharakter“ hatte.

Ich kann hierzu nur mich selbst zitieren: „Obwohl auch der Erlass des Kriegsministers „de jure nur den Charakter einer Empfehlung“ an die Kommandierenden Generale haben konnte, nahm dieser Erlass „de facto […] Weisungscharakter einer zentralen militärischen Führung „ an.“ (Spraul, S. 43). Die Zitate innerhalb dieses Zitates stammen aus DDR-Zeitschriften; der Erlass Bissings wurde erstmals 1958 in der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ vollständig veröffentlicht.6 Warum trotz meiner Hinweise Horne und Kramer jetzt erneut aus dem Erlass indirekt nach Bernd F. Schulte7 zitieren und dabei den Inhalt in der Paraphrase noch verschärfen, ist mir rätselhaft. In ihrem Buch heißt es: „Wenn eine Menschenmenge sich nach einer Warnung nicht zerstreute, sollten die Soldaten direkt in die Menge schießen, selbst wenn die Menschen unbewaffnet waren.“ (Horne/Kramer, S. 238). Und was ist aber in dem Erlass zu lesen? „Wird bei solchen Gelegenheiten das Einschreiten mit der Waffe nötig, so muß die durch das Gesetz [sic] verlangte dreimalige Aufforderung so deutlich erfolgen, daß auch weiter entfernt stehende Personen sie verstehen können und es muß dabei darüber kein Zweifel gelassen werden, daß auch schon beim Beharren im passiven Widerstand die unbedingte Folge das Eingreifen mit der Waffe ist.

Tritt dann die Notwendigkeit des Gebrauchs der Schußwaffe ein, so ist es auch einer anscheinend unbewaffneten Menge gegenüber unangebracht, erst den Hochanschlag anzuwenden. Es ist vielmehr besser, frühzeitig den aufrührerischen Elementen den festen Willen zu zeigen, alle revolutionären Gelüste im Keim zu ersticken.“

Die Stärke der deutschen Truppen in Löwen am 25. August 1914

„Schließlich streitet sich Spraul mit uns über die Gesamtstärke der Truppen in Löwen am 25. August 1914.“ (Horne/Kramer, S. V). Unter Berufung auf die Arbeit von Peter Schöller aus dem Jahre 1958 bestehen sie darauf – nach nochmaliger Prüfung, wie sie versichern –, dass in Löwen 15 000 Mann gewesen seien, während ich von 1 500 Mann ausginge. „Warum die Angaben im „Weißbuch“ über deutsche Truppeneinheiten auf einmal nicht mehr glaubwürdig sein sollen, ist nicht ersichtlich. Allein die Landwehrbrigade 27, deren Anwesenheit in Löwen Spraul nicht bestreitet, wies eine Stärke von 6000 auf.“

Auf den als Beleg für diese Aussage dienenden Seiten meines Buches findet der verdutzte Leser allerdings eine völlig entgegengesetzte Darstellung: Im „Weißbuch“ gibt der Etappenkommandant von Löwen als Besatzung zwei Kompanien und ein Bataillon der Landwehrbrigade 27 nebst einer Kompanie des Landsturmbataillons Neuß als Besatzung an, was etwa 1500 Mann entspricht. Die aus der Darstellung Schöllers errechnete Zahl von 15 000 Mann steht, wie ich im Detail in meinem Buch darlege (Spraul, S. 472-478), in einer langen Reihe belgischer Bemühungen, die bis ins Jahr 1916 zurückreichen, möglichst hohe Zahlen der bei Beginn der Schießereien verfügbaren deutschen Truppen nachzuweisen. Zum Quellenwert und zum politischen Hintergrund der Arbeit von Peter Schöller gibt übrigens Ulrich Keller eingehende Hinweise und zieht Schlussfolgerungen für den Gang der Geschichtswissenschaft in einem politischen Umfeld, die bei mir nur angedeutet werden.

(S. 317-323): Nach Kellers Darstellung wurde Schöllers „Studie […] als Auftragsarbeit verfasst und musste einer belgisch-deutschen Historikerkommission zur Begutachtung vorgelegt werden“. Schöller „konnte […] keinen Zweifel hegen, dass für die Kommission kein Forschungsergebnis akzeptabel war, das auch nur partielle Zuverlässigkeit für das deutsche Dossier [i.e. „Weißbuch“] reklamiert hätte. Klar formulierte Erwartungen waren im Spiel, und ein junger Wissenschaftler konnte kaum das Karriererisiko eingehen, mit ihrer Missachtung eine ganze Professorenriege zu verärgern. Hieraus erklärt sich auch die zuletzt ohne Quellenbezug auftauchende Behauptung einer in Selbstdezimierung resultierenden deutschen „Franktireurpsychose;“ […] Schöller wusste also sehr wohl, dass er stichhaltige Quellenbeweise für den Psychosen- und Selbstbeschussvorwurf schuldig geblieben war – wenn er in seiner Studie trotzdem damit abschloss, geschah das offenbar in nicht ganz vorbehaltloser Erfüllung einer Kommissionsforderung, die ihm die klare Wiederholung der alten Propagandaspekulation zur Pflicht machte.“ Wie sehr Schöllers Arbeit im Blickfeld politischer Interessen stand – so betont Keller –, zeigt der Umstand, dass er vom Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und dem Außenminister „Belobigungsschreiben für das als völkerversöhnend verstandene Forschungsprojekt“ erhielt.

Da noch 2014 die Stadtarchivarin von Löwen zwei weitere Landwehrbrigaden „mobilisierte“,8 von denen eine gar nicht existierte und die zweite zu einer anderen Armee gehörte (Spraul, S. 477), ist der Spielraum zu einer Konzession in dieser Frage für die beiden irischen Historiker wohl äußerst gering. Was ich tatsächlich „nicht bestreite“, ist die Anwesenheit von zwei Kompanien und einem Bataillon der Landwehrbrigade 27, das ist weniger als ein Drittel der Gesamtstärke, die Horne und Kramer mit 6000 angeben, was aber der Stärke einer „normalen“ Infanterie-Brigade entspräche und nicht einer schwächeren Landwehrbrigade. Nach dieser „Erledigung“ meiner Einwände ziehen sie folgende Zwischenbilanz: „Letztlich ist es schwer zu erkennen, wie solche Hinweise den wesentlichen Kern unserer Darstellung tangieren. […] Aber anstatt auf solche kleinlichen Einwände einzugehen, wollen wir an dieser Stelle die Hauptthesen der Kritiker, den Stellenwert der historischen Quellenanalyse sowie den Kontext der historischen Forschung der letzten Jahre verdeutlichen.“ (Horne/Kramer, S. Vf.).

Zur Identifikation von Regimentsnummern in den belgischen Quellen

Dass die Identizierung der deutschen Truppen, die für angebliche Verbrechen verantwortlich sein sollen, und dass damit die Brandmarkung bestimmter Truppen in ihrer Gräuel-Tabelle als Verbrecher nicht immer zuverlässig ist, räumen Horne und Kramerjetzt zwar ein, behaupten aber zugleich, dass sie „in der überwiegenden Mehrzahl von Vorfällen [..] die (verständlicherweise oft ungenauen) Beobachtungen der Zivilisten anhand deutscher militärischer Quellen und Literatur überprüft und korrigiert“ hätten. (Horne/Kramer, S. Vf.). Sie wiederholen diese Aussage auch noch und fügen hinzu – wohl als Entlastung gedacht –: „Nicht nur belgische und französische Augenzeugen konnten deutsche Einheiten gelegentlich [sic] nicht zuverlässig identifizieren, „deutschen Augenzeugen [sei dies] „manchmal genauso“ ergangen. (Horne/Kramer, S. XI). Um das Gewicht ihrer Aussage, dass auch deutsche Soldaten sich irren konnten, noch zu unterstreichen, führen sie ein Beispiel an, wonach „ein Gefreiter und ein Schütze auf [sic] einer Entfernung von 60 bis 70 m nicht erkennen“ konnten, „ob eine Gruppe Infanterie dem Regiment 64 oder 93 angehörte: […] .“ (Horne/Kramer, S. XI, Anmerkung 31). Die bis Dezember 1914 roten Regimentsnummern auf den Lederhelmen hatten eine Höhe von 5 cm; ob das Sehvermögen eines höheren Dienstgrades wohl eher geeignet war, um ein Objekt von solcher Größe sicher zu identifizieren?

III. Der angeblich begrenzte Wert von Truppengeschichten als Quelle

Das 1. Beispiel, das Horne und Kramer unter der Rubrik „Der Stellenwert von Quellen – Truppengeschichten“ anführen, ist der Fall Baranzy mit 27 Todesopfern und 86 zerstörten Gebäuden: „Größtenteils wiederholten die Truppengeschichten das dominante nationale Narrativ. Dennoch liefern manche von ihnen unfreiwillig Beweise für unsere Darstellung, so im Fall der Ereignisse in Baranzy am 16. und 22. August. Wie wir erklärten (S. 190), hatten vier Steuerbeamte wahrscheinlich als Mitglieder der Garde Civique am 16. August eine deutsche Patrouille unter Feuer genommen und einen Ulanen erschossen, einen zweiten verwundet und einen Offizier gefangen genommen. Es handelte sich mit anderen Worten um ein Verteidigungsgefecht, das die deutschen Truppen als illegal auffassten.“ (Horne/Kramer, S. XI).

Schlägt man die angegebene Seite in dem Buch nach, gibt es wieder einmal eine Überraschung. Es gibt nämlich zweiVersionen, wer geschossen haben soll. Zuerst einmal sollen es nämlich „dienstverpflichtete französische Zollbeamte“ gewesen sein. „Doch der Wahrheit näher kam vermutlich eine andere Version.“ Bei einem Verhör gefangener Franktireurs am 16. September 1914 in Magdeburg hätten belgische Steuerbeamte gestanden, „an einem Überfall auf eine Ulanenpatrouille beteiligt gewesen zu sein; in Baranzy hätten sie einen Ulanen getötet, einen zweiten verwundet und einen Offizier gefangengenommen. „Sämtliche Steuerbeamte haben ihre Waffen in ihren Häusern versteckt, wie sie selbst zugeben, obgleich zur Herausgabe der Waffen durch den Ortsvorsteher aufgefordert worden war. Außerdem hatten sie Zivilkleidung angezogen.“ Dieser letzte Satz liefert einen wichtigen Hinweis: Die Steuerbeamten gehörten vermutlich entsprechend ihrer Stellung als Staatsdiener der Garde Civique an. Am 16. August lauerten sie, noch in Uniform, den Ulanen auf. Angesichts der Übermacht (vier Regimenter) [ca. 12.000 Mann!] der fünf Tage später einrückenden Deutschen löste sich die kleine Einheit der Garde Civique auf und versteckte ihre Waffen. Das bleibt allerdings reine Spekulation, denn im deutschen Untersuchungsbericht ist von der Garde Civique nicht die Rede.

Zwischenfälle wie diese lassen durchaus vermuten, daß in vereinzelten Fällen Zivilisten Schüsse auf deutsche Soldaten abgaben.“

Man sollte eigentlich annehmen, dass die beiden Autoren unter den 129 Fällen in ihrer Gräuel-Tabelle mit dem vorliegenden Fall von 27 zivilen Opfern und 86 zerstörten Gebäuden für ihr Vorwort, das ja wohl der Zurückweisung meiner Kritik dienen soll, einen Fall aussuchen, der keine Zweifel erweckt, keine offenen Fragen zurücklässt, gewissermaßen als Parade-Beispiel für die Richtigkeit ihrer Generalthesen dienen kann. Aber wie steht es nun damit? Wie steht es mit dem Anspruch, von einem „legalen Verteidigungsgefecht“ ausgehen zu können?

Auf die variantenreiche, in sich widersprüchliche Darstellung, die sich alle Optionen offenhält, zum Beispiel was das Schießen in Zivil oder in Uniform angeht, bin ich in meinem Buch im Detail eingegangen (Spraul, S.80-82, 294-296) und brauche meine Argumente hier nicht zu wiederholen. Es fällt nebenbei auf, wie oft „wahrscheinlich“, „vermutlich“, „reine Spekulation“ als Mittel der „Wahrheits“- Findung herhalten müssen.

Die Darstellungen in den Regimentsgeschichten der hier nach der Angabe von Horne und Kramer eingesetzten fünf Infanterie-Regimenter scheiden als Quelle für sie von vornherein aus, weil sie nur dem „nationalen Narrativ“ dienen würden: vier der fünf enthalten mehr oder weniger detaillierte Hinweise zur Beteiligung von Zivilisten am Kampf (I.R. 119, S. 12; I.R. 121, S. 4; I.R. 122, S. 17.f.; I.R. 125, S. 9-11); dazu kämen noch weitere Verbände wie z.B. das Ulanen-Regiment 2 (Regimentsgeschichte, S. 58). Greifen wir also noch zu einer anderen, leicht zugänglichen Quelle: Der Schweizer Arzt und Soldat Dr. Eugen Bircher hat 1930 nach wiederholtem Besuch der Kampfgebiete und vielen Gesprächen mit deutschen Kriegsteilnehmern, auch unter Beteiligung von Offizieren der „anderen Seite“, eine Studie zur Schlacht bei Ethe-Virton am 22. August 1914 veröffentlicht, in der auch die Kämpfe um Baranzy behandelt werden.9 EinPunkt in seiner Darstellung ist der Sanitätsversorgung der Truppen des XIII. Armee-Korps im Raum Bleid – Baranzy gewidmet: „Feldlazarett 2 in Baranzy [ 23. August] hatte größte Schwierigkeiten mit der feindseligen Bevölkerung, auch mit der Verpflegung zu kämpfen. Feldlazarett 11 richtete sich in Mussy-la-Ville in der Schule und einem Schwesternheim ein. Auch dieses wurde angeschossen, so daß um 9.00 A[bends] das Dorf geräumt werden mußte. Es biwakierte dann beim Hauptverbandplatz westlich Baranzy und versorgte noch 150 Verwundete.“ (S. 13f.).

Nun noch zu den Ereignissen des 22. August 1914 in Baranzy, die von den beiden Historikern wegen des Eigenbeschusses deutscher Truppen („friendly fire“) behandelt werden: Der Schweizer liefert so viele Hinweise auf Paniken, vor allem bei französischen Truppen, und auf Beschuss durch eigene Truppen, dass es müßig wäre, Beispiele zu benennen. Er schreibt dazu nur nüchtern: „Ein Vorkommnis, das übrigens im Kriege immer wieder sich ereignen wird.“ (S. 172). Die erlittenen hohen Verluste auf deutscher Seite, „Panik und Wut“ seien der Ausgangspunkt für „blutige Rache“ an der Zivilbevölkerung gewesen, so das Narrativ von Horne und Kramer: „Für eine Korrektur unserer Darstellung, sehen wir hier, wie in den meisten anderen von Spraul monierten Fällen keinen Anlass. Sprauls Behauptung, dass die Einwohner sich am Kampf beteiligten, wird nicht belegt.“ (Horne/Kramer, S. XII).

Die Zwischenfälle in St. Trond/Sint Truiden und Linsmeau am 9./10. August 1914

Als zweites und zugleich drittes Beispiel für die – sinnvolle – Verwendung von Truppengeschichten führen Horne und Kramer die Geschehnisse in St. Trond bzw. Linsmeau an. Die folgende Tabelle soll zeigen, wie sie ihre frühere Darstellung aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse abgeändert, teils stillschweigend korrigiert haben, ohne allerdings daraus Konsequenzen für die Neuausgabe zu ziehen.

2001/2004 „Selbst im offenen Kampf wurde die aktive Garde Civique von den Deutschen häufig als unrechtmäßig betrachtet oder einfach nicht von der Zivilbevölkerung unterschieden. Die Garde Civique verteidigte am 9. August für kurze Zeit St. Truiden […] gegen die Kavallerie unter General von der Marwitz, da die belgische Armee sich zur Gette zurückgezogen hatte. Die Deutschen waren wütend über den Widerstand und über einen möglichen Zwischenfall, bei dem die Garde Civique irrtümlich auf eine Gruppe von Deutschen geschossen hatte, die mit einer weißen Fahne kamen, um über die Kapitulation der Stadt zu verhandeln. Als die Stadt fiel, töteten die Invasoren 17 ihrer Bewohner und zwangen die Garde Civique unter der Androhung, die Stadt sonst zu schleifen, ohne Waffen durch die Straßen zu ziehen, bevor ihre Mitglieder nach Deutschland deportiert wurden.“ 4 weitere Einwohner seien bei einem Zwischenfall am 11. August 1914 getötet worden. (Horne/Kramer 2001/2004, S. 194f.). 2018 „Dank der Recherche von Willem Driesen kann der Fall Linsmeau (Brabant) geklärt werden. Der Versuch der Bürgergarde, die nahegelegene Stadt St. Trond/Sint Truiden gegen die übermächtige deutsche Kavallerie zu verteidigen, führte am 9. August zur Tötung von Einwohnern. Driesen hat entdeckt, dass die Garde durch eine kleine Radfahrereinheit von Armeesoldaten unterstützt wurde, die sich nach dem Gefecht schnell in Richtung Diest zurückzog. Zwei Deutsche wurden getötet, mehrere verwundet. Möglicherweise schoss ein Notar namens Vanham mit seinem Gewehr auf einen deutschen Soldaten, der verwundet gefangen genommen wurde. Nach der Einnahme der Stadt wurden die 122 Mitglieder der Bürgergarde, von denen keiner verletzt worden war, entwaffnet und nach Deutschland deportiert; keiner wurde hingerichtet. 8 der insgesamt 21 getöteten Einwohner wurden als vermeintliche „Franktireurs“ hingerichtet, die anderen waren Opfer des wilden Schießens auf Schaulustige.“ (Horne/Kramer 2018, S. XII).

Zu der Darstellung in dem Buch von 2001 bzw. 2004 habe ich meinerseits unter Heranziehung der verfügbaren deutschen Quellen folgende Gegendarstellung gegeben, die ich hier ungekürzt wiedergebe: „Gegen 15.30 Uhr erreichte die Leib-Husaren-Brigade St. Trond, wo sie „lebhaftes Feuer erhielt. Auch hier beteiligte sich die Bevölkerung wieder am Kampfe.“ Gegen 18.00 Uhr wurde der 2. Adjutant der 2. Kavallerie-Division, Rittmeister Sander, mit 2 Mann in einem Auto zu der Stadt geschickt, um sie zur Übergabe aufzufordern. „Er wurde jedoch bereits aus den vordersten Häusern mit starkem Feuer empfangen, erhielt selbst fünf Schüsse, wunderbarerweise ohne erheblich verletzt zu werden, während seine beiden Begleiter schwer verwundet wurden. Dieser Vorfall zeigte, daß nicht einmal die Parlamentärflagge vom Gegner geachtet wurde.“

Als Reaktion auf dieses belgische Verhalten wurde die Stadt von der deutschen Artillerie unter Feuer genommen, ein infanteristischer Angriff unterblieb wegen der einbrechenden Dunkelheit. In der Nacht wurde die Stadt vom Gegner geräumt und am Morgen von deutschen Truppen besetzt; die Waffen wurden beschlagnahmt, 130 Mann der Garde civique kamen, wie der Inspekteur der Kavallerie, v. Poseck schreibt, in Kriegsgefangenschaft.“10

Dass die Angehörigen der Garde civique in Gefangenschaft kamen und eben nicht als irreguläre Kämpfer erschossen wurden, schreibt auch v. der Marwitz. Der wiederholt verwendete Begriff der „Deportation“ ist deshalb unangebracht und irreführend; dass gefangene Soldaten zuerst einmal entwaffnet werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Wie die 17 (bzw. nachträglich noch weiteren 4) Getöteten zu Tode kamen, ist aus den deutschen Darstellungen nicht zu entnehmen, für Kampfhandlungen nach der Besetzung der Stadt gibt es keine Anhaltspunkte.“ (Spraul, S. 279-281).

Die Leibhusaren-Brigade hatte an diesem Tag ihr erstes Gefecht und verlor dabei an Gefallenen sechs Mann. In der Geschichte der Leibhusaren ist darüber zu lesen: Der Vormarsch der 2. Kavallerie-Division „stieß schon weit östlich dieser Stadt [St. Trond] auf schwachen Widerstand belgischer Radfahrer und aus den Häusern feuernder Einwohner. Die Leibhusaren-Brigade brach ihn […] .“ Über die Verluste der folgenden Tage bei den vorausgeschickten Patrouillen heißt es weiter: „Die nicht unbeträchtlichen Verluste waren […] wie die fast aller Patrouillen in Belgien meist durch die bewaffnete Bevölkerung zugefügt.“11

Was ist nun zu dieser neuen Version der Ereignisse im Vorwort von 2018 zu sagen? Vorauszuschicken ist, dass Horne und Kramer die Fälle St. Trond wie auch den unten folgenden Fall Linsmeau als Beispiel dafür sehen, dass Truppengeschichten „in Verbindung mit anderen Quellen […] durchaus nützlich sein“ können. Der belgische Gewährsmann Driesen gibt im Fall St. Trond als einen Beleg für seine Darstellung die Geschichte des Husarenregiments 15 – ohne Seitenangaben – an. Hier ist Folgendes zu lesen: „Die Deutschen hatten sich in der Annahme getäuscht, die freiheitlich gerichteten Belgier würden sich stillschweigend mit dem Durchmarsch unserer Armeen durch ihr Land zufrieden geben. Es entstand vielmehr ein durch Bürger und Bauern genährter Kleinkrieg. Gewehre hierzu lieferten die staatlich organisierten Bürgerwehren.“

Zu den Ereignissen des 10. August in St. Trond fehlen allerdings jegliche Angaben, dafür wird über die folgende Nacht berichtet: „Infolge der Strapazen der vorhergehenden Tage war die Ermattung bereits derart, daß sich ein großer Teil der Mannschaften nur mit Aufbietung aller Kräfte auf den Pferden halten konnte. In Velm waren Vorhut und Gros der Division mitten in der Nacht beim Durchzug überfallen worden. Die Spuren des heftigen Straßenkampfes waren noch zu sehen.“12

Eine andere – offenbar auch von Willem Driesen nicht benutzte – Regimentsgeschichte ist die der reitenden Abteilung des Feldartillerie-Regiments 3, erschienen 1936. Auch wenn man das Erscheinungsjahr als Argument bemüht, um dieser Darstellung jeglichen Wert abzusprechen, sollte man doch die folgenden Aussagen zur Wahrnehmung des Franktireurkrieges und dann auch zu dem Geschehen in St. Trond, ergänzend zur Kenntnis nehmen: „Die nächtlichen Biwaks verlaufen sehr unruhig. Dauernd finden Überfälle durch die Zivilbevölkerung statt. Regelrechte Gefechte müssen gegen dieselbe geliefert werden. Jede Patrouille, jede Kolonne, die durch Dörfer kommt, wird aus den Häusern angeschossen. Mehrere Offiziere anderer Truppenteile fallen auf diese Art. Allmählich fängt man an, einzusehen, daß mit Entgegenkommen bei dieser von der Regierung aufgehetzten und mit Munition und Waffen versehenen Bevölkerung nichts auszurichten ist. Wenn aus einem Haus geschossen worden ist, wird es umstellt und abgesucht. Mit der Waffe in der Hand betroffene Bewohner werden an die Wand gestellt, erschossen, das Haus angezündet, und das Strafgericht ist vollzogen. Die wahren Galgengesichter sieht man unter den Hingerichteten, vom jungen Bengel bis zum weißhaarigen Mann. […]

Gefecht bei St. Trond 9. August

Da St. Trond als vom Feinde besetzt gemeldet wird, fährt die 1. reit[ende] Batterie bei Lichtenberg auf und eröffnet das Feuer auf die Stadt. Dieselbe wird dann von der Kavallerie im Gefecht zu Fuß genommen.“13

Was ist also in St. Trond geschehen? Und was an meiner Darstellung hat mir den Unmut von Horne und Kramer zugezogen? Die Garde Civique habe die Stadt „kurze Zeit verteidigt“, so sagten beide noch 2001, jetzt erfahren wir, dass es die 122 Verteidiger mit Unterstützung durch reguläre Soldaten bei dieser Art der Kurzzeit-Verteidigung geschafft hätten, unbeschadet aus diesem Gefecht hervorzugehen. Die ursprüngliche Zahl von 17 plus vier Getöteten – Ermordeten? – wird auf acht gesenkt; der Rest sei „Opfer des wilden Schießens auf Schaulustige“ geworden, was immer das gewesen sein mag. Dass „möglicherweise“ ein Notar – als Privatmann oder als Mitglied der Garde Civique? – sich mit seinem Gewehr an den Kampfhandlungen beteiligte, wird beiläufig erwähnt, aber zugleich auch durch „möglicherweise“ wieder in Frage gestellt. Außerdem fehlt eine Angabe, ob dieser Notar zu den angeblich hingerichteten Franktireurs gehörte, oder blieb er etwa straffrei? In ihrer Tabelle zu den angeblichen deutschen Gräueln steht bei St. Trond in der Rubrik „zerstörte Gebäude“ ein Fragezeichen (Horne/Kramer, S. 638). Angesichts der aufgrund der vorliegenden Umstände sicher nicht nur kurzen Beschießung durch die Feldartillerie muss es nicht nur zerstörte Gebäude, sondern auch Opfer unter der Bevölkerung gegeben haben.

Dass die Mitglieder der Garde Civique sich nur unter sehr genau definierten Voraussetzungen auf die Haager Landkriegsordnung berufen konnten, haben ich (Spraul, S. 278-280) wie auch Ulrich Keller (S. 274-282) im Einzelnen dargelegt. Aber Horne und Kramer sind nicht bereit, von ihrer gegenteiligen Auffassung abzurücken, entfiele doch damit eine der Grundlagen ihrer gesamten Argumentation. Wie sie mit dem schwerwiegenden Vorfall der Beschießung der deutschen Soldaten umgehen, die „mit einer weißen Fahne kamen“, lässt schon erstaunen. Auf den Parlamentär sei „irrtümlich“ geschossen worden – auf welche Entfernung und mit welchen Waffen? Niemand von der Garde Civique sei hingerichtet worden; zu ihrem Glück wurden sie von den deutschen Befehlshabern nicht als illegitime Kombattanten angesehen, sondern in die Gefangenschaft abgeführt, nicht „deportiert.“

Nun zum Fall Linsmeau, dem zweiten Fall, bei dem Willem Driesen für eine Klärung des Geschehens gesorgt haben soll: „Nahe Linsmeau fiel am 10. August im Gefecht zwischen einer deutschen Kavalleriepatrouille und regulären belgischen Truppen der junge Leutnant von Stietencron. In der Annahme, dass es sich um einen „Franktireurüberfall“ gehandelt habe, wurden mehrere Häuser und Bauernhöfe in Linsmeau in Brand geschossen und 18 Einwohner hingerichtet. Auf diese Weise können Truppengeschichten, wenn sie mit belgischen und französischen Quellen zusammen verwendet werden, es der künftigen Forschung ermöglichen, noch ausführlicher auf die 129 Zwischenfälle mit 10 oder mehr zivilen Getöteten einzugehen, die die Basis unseres Werks bildeten. Solche Beiträge wären selbstverständlich zu begrüßen. Wir vermögen jedoch nicht zu erkennen, wie sie unsere grundlegenden Ergebnisse infrage stellen.“ (Horne/Kramer, S. XII).

Welche kritikwürdigen Aussagen zu Linsmeau habe ich nun gemacht? Ich muss gestehen, dass ich auf diesen Fall überhaupt nur tabellarisch eingegangen bin, so dass sich wieder die Frage stellt, worauf die Kritik meiner Kontrahenten eigentlich abzielt? Bei mir ist nur zu entnehmen, dass es zwei Tote auf deutscher Seite und nach der Angabe von Horne und Kramer 18 zivile Opfer gegeben hat. Außerdem habe ich die Geschichte des Husarenregiments 15 mit Seitenangabe als Quelle angegeben. (Spraul, S. 608).

Welche Informationen liefert nun diese Truppengeschichte, die ja auch für den Belgier Driesen eine mögliche Quelle darstellt? Über die Umstände des Todes des Leutnants Iwan Otto v. Stietencron liegt ein Bericht des Sergeanten Reimer vor, der leider wie so oft in Truppengeschichten undatiert ist, aber offensichtlich zeitnah abgefasst wurde: „„Am 10. August wurden Leutnant v. Stietencron, ich und weitere 15 Mann auf Fernpatrouille kommandiert.“ Als sie eine belgische Schützenlinie bemerkten, habe die Patrouille versucht, deren Ausdehnung festzustellen. „Kaum abgesessen, bemerkten wir feindliche Radfahrer, die aus unmittelbarer Nähe auf uns feuerten. Sofort aufgesessen und attackiert. Ungefähr 8 bis 10 Belgier fielen in unsere Hände. Beim Zerstören der Gewehre sahen wir eine feindliche Kavallerie-Abteilung von 25 bis 30 Reitern (feindlicher Stab); sofort wurde aufmarschiert und wieder attackiert. Beim Angriff bemerkten wir links von der Chaussee im Rübenfeld einen einzelnen Schützen, der auf unsere Patrouille feuerte. Leutnant v. Stietencron sprengte auf denselben zu, währenddessen schoß der Schütze zweimal auf Leutnant v. Stietencron, ohne zu treffen. Der Hieb, den Leutnant v. Stietencron ausführte, ging fehl, noch einige Sprünge weiter fiel v. Stietencron getroffen vom Pferde und verschwand im Rübenfelde. Wir gerieten nachher in so starkes Infanteriefeuer, daß es uns unmöglich war, die Attacke weiter auszuführen und zurückzukehren, um Leutnant v. Stietencron zu holen. Im Auftrag des Rittmeisters Frhr. v. Schaezler ging ich mit einigen Husaren am Abend hin, um unsern Leutnant zu holen. Wir fanden ihn ungefähr 100 Meter weiter fortgetragen, als wo er gefallen war, mit einem Halsschuß und einer großen, tiefen Wunde an der linken Schläfe. Leutnant v. Stietencron war vollständig ausgeraubt, die Pelzmütze fehlte, die Achselstücke waren abgerissen. Dies alles passierte ungefähr 5 Kilometer westlich der Stadt Landen.““ Der zweite Gefallene war der Husar Grütter.14 Auch in der „Ehren-Rangliste des ehemaligen Deutschen Heeres“ von 1926 ist als Todesort des Offiziers „bei Landen“ angegeben. (S. 440). Dagegen gibt die „Ehrentafel“ in der Regimentsgeschichte Linsmeau als Todesort an. (S. 205). Ob der Offizier tödlich getroffen vom Pferd fiel oder ob er weggetragen und dann erst getötet wurde, lässt sich hiernach nicht entscheiden. Von einer Beteiligung von Zivilisten an dem Gefecht ist keine Rede, der Einzelschütze war wahrscheinlich ein Soldat.

Auch Horne und Kramer widmen den Geschehnissen in Linsmeau in ihrem Buch nur wenige Zeilen – abgesehen von der Erwähnung in ihrer Gräuel-Tabelle –; als Beleg geben sie zwei französische Zeitungsartikel vom 14./15. August 1914 und einen belgischen Kommissionsbericht an. Linsmeau ist für sie deshalb von besonderer Bedeutung, weil von hier ausgehend der Begriff der „deutschen Gräuel“ für „Nachrichten angewandt [worden sei] , die von Belgien aus an die Öffentlichkeit drangen.“ (Horne/Kramer, S. 261, 638).

Ziehen wir zur weiteren Recherche zuerst das 1941 erschienene Buch des 1932 in Marburg promovierten Amerikaners James Morgan Read über die Gräuel-Propaganda heran, ein Buch, das auch im Literaturverzeichnis von Horne und Kramer zu finden ist. Read schreibt über die Entstehung und Verbreitung der Gräuel-Nachrichten: „The Belgian commission on atrocities was beginning to function. The first assortment of stories transmitted to the press included one from the town of Linsmeau. Terrible torture had been applied to the inhabitants of the village who were accused by German soldiers of shooting their officer. According to the statement of the mayor of Linsmeau ten men were attached to the guns; some, not being able to follow, were bound to the guns by their feet, their hands dragging along the ground. Eighteen men in all were massacred.” Belegt wird diese Darstellung mit englischen, belgischen und französischen Zeitungsartikeln aus dem Zeitraum vom 15.-18. August 1914. Eine englische Zeitung „strange to say, exceeded the sensationalism of the Matinby telling how the Ulans amused themselves with shooting the ears off the villagers lined up in the square.” An anderer Stelle geht Read noch einmal auf den Fall Linsmeau ein und gibt dabei wieder seine Skepsis gegenüber einer solchen Darstellung zu erkennen. Außerdem gibt er einen Grund für das deutsche Vorgehen an: „The sworn statement of the mayor of Linsmeau, who in the first wartime report accused the invaders of binding men to the guns and dragging them along with their hands on the ground, showed approximately eighteen men shot as a reprisal for the death of the commanding officer of the Germans. These were not humanitarian deeds, but neither were they as atrocious as originally depicted.”15

Einen anderslautenden Hinweis zum Geschehen in Linsmeau am 10. August 1914 gibt es in der bereits oben zitierten Geschichte der reitenden Abteilung des Feldartillerie-Regiments 3: „Aus Linsmeau erhalten die Aufklärer der Division [4. Kavallerie-Division] Feuer; ein Zug [2 Geschütze] der 3. reit[enden] Batterie, Lt.Hofmann, beschießt das Dorf.“ (S. 28). (Hervorhebung im Original).

Demnach war die Beschießung – mit welchen Auswirkungen? – keine Reaktion auf den Tod des Leutnants v. Stietencron, sondern eine Folge der Beschießung einer Kavalleriepatrouille aus dem Ort heraus – durch wen auch immer. Ist der Fall somit wirklich, wie Horne und Kramer behaupten, „geklärt“?

IV. Unbeantwortete Fragen und Sachverhalte

Die Zahl der strittigen oder offenen Fragen, auf die ich in meinem Buch eingegangen bin, ohne dass von den beiden Autoren jetzt darauf eine Reaktion erfolgt ist – was natürlich in einem Vorwort auch nicht erwartet werden kann – ist so groß, dass ich mich im Folgenden auf Stichworte bzw. Fragen beschränken muss. Wäre es nicht richtiger gewesen, als Erläuterung zu der immer wieder angeführten Tabelle mit 129 angeblichen deutschen Verbrechen anzugeben, dass 31 Fälle von ihnen gar nicht behandelt werden und in 20 Fällen „die Täter“ unbekannt sind, so dass am Ende 78 angebliche Fälle für ihre Darstellung übrigbleiben? An den Anfang meines Buches habe ich – nicht ohne Grund – das Kapitel „Militärische Sachkunde von John Horne und Alan Kramer“ gestellt. Einige dieser Beispiele sind oben schon zur Sprache gekommen, weitere seien hier nur angedeutet:

– Da gibt es ein Pionierbataillon, das es nicht gegeben hat, als Verbrecher in der Tabelle.

– Da merken die Autoren nicht, dass es in der 6. (bayerischen) Armee ein preußisches Korps gab.

– Militärische Karten scheinen eine terra incognita zu sein.

– Ein Leutnant, der niederste Offiziersdienstgrad, aus dem I.R 42, dessen Namen in keiner Liste zu finden ist, soll Kommandant einer Stadt gewesen sein.

– Ein General soll seine Soldaten „überredet“ haben, doch bitte mit Erschießungen aufzuhören.

Zu den zentralen Problemen, die den Wert dieses „Standardwerkes“ sehr wohl infrage stellen, gehört u. a. die Nicht-Unterscheidung zwischen Flamen und Wallonen in der belgischen Bevölkerung von 1914. Fast jede Truppengeschichte hebt den Unterschied im Verhalten von Flamen und Wallonen gegenüber den deutschen Truppen hervor.

Dass es eine weitgehende Abgabe von Waffen gegeben habe, daher ein bewaffneter Widerstand gar nicht möglich gewesen sei, gehört zu den zentralen Thesen von Horne und Kramer; die vielen Belege auch aus den Truppengeschichten sprechen dagegen.

Alkoholmissbrauch, Plünderungen und Vergewaltigungen sowie der Einsatz von menschlichen Schutzschilden sollen eineNormalität im Auftreten und im Einsatz der deutschen Soldaten gewesen sein. Die dortigen Belege für solche Pauschalurteile sind dürftig.

Die Beteiligung von Geistlichen an Kampfhandlungengenerell zu bestreiten, auch wenn dies von belgischen Bischöfen ebenfalls getan wurde, ist eine These, die sich angesichts der von mir vorgebrachten Belege nicht aufrechterhalten lässt.

Auch umstrittene Quellen wie z.B. die Gefangenenverhöre Loustalots, die Gräuelsammlung Bédiers oder die Tagebuchaufzeichnungen des deutsch-polnischen Stabsarztes Jacobson werden ohne Kritik übernommen. Wenn ichhierbei der Verfasser gewesen wäre, könnten Horne und Kramer zu Recht von einem „positivistischen, naiven Umgang mit Quellen“ sprechen. (Horne/Kramer, S. VIII). Dass die Timesbei ihnen zu Unrecht als seriöses Presseorgan dargestellt wurde, das mit der Verbreitung von Gräuelgeschichten nichts zu tun gehabt habe (Horne/Kramer, S. 311), dass sie vielmehr aktiv an der Verbreitung von Gräuelgeschichten beteiligt war, ist auch schon von anderer Seite bestätigt worden.16

Zu den kaum zu bestreitenden „gravierenden handwerklichen Fehlern“ (Horne/Kramer, S. III) – so aus der Sicht von Horne und Kramer der Vorwurf von mir und Keller an ihre Adresse – gehört die Wiedergabe und Auswertung von Quellen. Dass man bei der Überprüfung von Belegen schnell auf Verfälschungen des Inhalts, auf Weglassen „unerwünschter“ Aussagen stößt, ist kein ärgerlicher Zufall, sondern ein Verfahren, das offenbar helfen soll, der „richtigen Wahrheit“ den Weg zu ebnen. Auch der Umgang mit archivalischen Quellen weist diese Besonderheit auf. Denn die dortige Aussage deckt sich oft nicht mit der Wiedergabe von Horne und Kramer. Als Beispiele seien hier nur genannt der Bericht des Generalgouverneurs von Belgien vom 28. Februar 1915 (Spraul, S. 299-302) und der angebliche Befehl eines Majors von Bassewitz von Ende August 1914. (Spraul, S. 405f.; 185f.).

Vier Beispiele aus Archivalien habe ich im Anhang meines Buches zur Überprüfung eines Vorwurfes, dessen Schwere mir sehr wohl bewusst ist, abgedruckt, um dem Leser ein eigenständiges Urteil zu ermöglichen. Eines dieser Beispiele hat Peter Hoeres in seiner genannten Besprechung übernommen. Dass auch Ulrich Keller, der noch mehr Akten ausgewertet hat als ich, dieselbe Feststellung machen musste, sei hier aneinem weiteren Beispiel demonstriert: Hauptmann Wabnitz „soll nach Horne und Kramer „nachdrücklich“ darauf bestanden haben, dass es in Andenne keine Franktireurs gegeben habe – doch der Wortlaut der Aussage beweist das genaue Gegenteil, denn Wabnitz stellte klipp und klar fest: „Der Durchmarsch der Truppen durch Andenne wurde während der ganzen Nacht durch Franktireurfeuer gestört und stark gehindert.““ (S. 167).

Was ist ein „Standardwerk“? Welche Anforderungen müssen an ein solches gestellt werden, sowohl in methodischer, inhaltlicher und formaler Hinsicht? Fehler und Ungenauigkeiten wird es auch in Zukunft in einem „Standardwerk“ geben, aber über die Mängel des Buches von John Horne und Alan Kramer hilft auch keine zustimmende „überwiegende Mehrheit der Rezensenten […] , gerade auch in Deutschland“ hinweg. (Horne/Kramer, S. II). Dies wäre ein ganz anderes Thema, auf das ich im Untertitel meines Buches hingewiesen habe.

 

Red.: Christoph Nübel

  • 1. John Horne und Alan Kramer, Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit, Hamburg 2018. Vorwort: S. I-XXII. (Im Folgenden: Horne/Kramer, römische Ziffern = Vorwort; arabische Ziffern = Deutsche Kriegsgreuel 1914, beide Ausgaben).
  • 2. Gunter Spraul, Der Franktireurkrieg 1914. Untersuchungen zum Verfall einer Wissenschaft und zum Umgang mit nationalen Mythen, Berlin 2016. (Im Folgenden: Spraul).
  • 3. Ulrich Keller, Schuldfragen. Belgischer Untergrundkrieg und deutsche Vergeltung im August 1914, Paderborn 2017.
  • 4. Adolf Hüttmann/Friedrich Wilhelm Krüger, Das Infanterie-Regiment von Lützow (1. Rhein.) Nr. 25 im Weltkriege 1914 – 1918. Berlin 1929, S. 5f.
  • 5. Hans Duncker/Heinrich Eisermann, Das Infanterie-Regiment v. Kluck (6. Pomm.) Nr. 49 im Weltkriege 1914 – 1918. (Der Schriftenfolge 193. Band). Oldenburg i.O./Berlin 1927, S. 6.
  • 6. ZfG 6/1958, S. 1302-1305.
  • 7. Bernd F. Schulte, Die deutsche Armee 1900 – 1914. Zwischen Beharren und Verändern, Düsseldorf 1977, S. 545.
  • 8. Mark Derez, Marika Ceunen, Louvain. Furore teutonico diruta, in: Axel Tixhon, Mark Derez (Hg.), Visé, Aerschot, Andenne, Tamines, Dinant, Louvain, Termonde. Villes Martyres: Belgique, Août-Septembre 1914, Namur 2014, S. 327.
  • 9. Dr. Eugen Bircher, Oberst und Kommandant der Schweizerischen Infanterie-Brigade 12, Die Schlacht bei Ethe-Virton am 22. August 1914. Berlin 1930.
  • 10. Max v. Poseck, Die deutsche Kavallerie in Belgien und Frankreich, Berlin 4. Aufl. 1930, S. 16.
  • 11. Die Leibhusaren. Ihre Geschichte im Weltkriege, zugleich Fortsetzung zur Geschichte der Leibhusaren von Mackensen. Berlin 1929, S. 6; Gefallenenliste S. 244-247.
  • 12. Ewald v. Trauwitz-Hellwig, Das Königlich Preußische Husaren-Regiment Königin Wilhelmina der Niederlande (Hannoversches) Nr. 15 im Weltkriege 1914 – 1918. Wandsbek 1931, S. 32-34.
  • 13. Generalmajor a.D. Leopold Hederich,Die Reitende Abteilung des Königl. Preuß. Feldartillerie-Regiments Generalfeldzeugmeister (1. Brandenburg.) Nr. 3 im Weltkriege 1914/1918. (Deutsche Tat im Weltkrieg 1914/1918, Band 41). Berlin 1936, S. 25f.
  • 14. Geschichte des Husaren-Regiments 15, a.a.O.
  • 15. James Morgan Read, Atrocity Propaganda 1941 – 1919. New Haven 1941 [Reprint 1972] , S. 54, 58.
  • 16. Peter Hoeres, Rezension zu: Spraul, Gunter, Der Franktireurkrieg 1914. Untersuchungen zum Verfall einer Wissenschaft und zum Umgang mit nationalen Mythen, Berlin 2016, in: H-Soz-Kult, 118.2016. www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-26029 (5.2.2019).
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