Christian Wenzel
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
22. Mai 2016

Johannes Lepsius ist als "Anwalt der Armenier" in die Geschichte des Völkermords an den Armeniern und des Ersten Weltkrieges eingegangen. So einhellig die Geschichtswissenschaft dabei die große Bedeutung Lepsius' bei der Dokumentation der Ereignisse hervorhebt, so wenig ist seine Haltung zu Armenien in den Jahren vor dem Völkermord bislang untersucht worden. Ein Blick auf Lepsius' Stellungsnahmen zu den innertürkischen Verhältnissen am Vorabend des Ersten Weltkrieges zeigt, wie vielschichtig die Gründe für sein Engagement waren.

Es ist vor allem das Bild als "Anwalt der Armenier"1, das den Blick auf Johannes Lepsius (1858-1926) bis heute prägt. Lepsius prangerte den Völkermord an den Armeniern gegen den Widerstand der deutschen Regierung und des Auswärtigen Amtes an, denen wenig daran gelegen war, das Militärbündnis mit der Türkei am strategisch wichtigen Bosporus wegen des Völkermords ab April 1915 aufs Spiel zu setzen. Sein Engagement hat nicht nur eine der zentralen Quellensammlungen zum Völkermord hinterlassen, sondern hat Lepsius auch den Nimbus des aus christlich-humanitären und ethischen Überzeugungen heraus handelnden Mahners gegen den Völkermord beschert.2

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Lepsius' Leben und Werk hat dabei bislang vor allem aus der Perspektive von Theologen stattgefunden, die den Theologen Lepsius mitunter auf eine Stufe mit Akteuren wie etwa Dietrich Bonhoeffer stellen.3 Eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Lepsius, seinem Handeln und seinem Wirken hat erst in den letzten Jahren eingesetzt. Zwar hat er in seiner Funktion als Streiter gegen den Völkermord längst Einzug in einschlägige Standardwerke und Überblicksdarstellungen zum Völkermord an den Armeniern gehalten; das, was über das Postulat rein christlich-humanitärer Motivlagen hinaus in Lepsius' Denken und Handeln festgestellt werden kann, oder, anders gewendet, was sich über seine Haltung zu Armenien nachzeichnen lässt, blieb dabei jedoch weitgehend verborgen.4

Als Lepsius begann, sich gegen den Völkermord zu engagieren, war er bereits 57 Jahre alt und seit langen Jahren in der armenophilen Bewegung des Kaiserreichs aktiv.5 Sein Engagement für Armenien und gegen den Völkermord entstand folglich nicht im luftleeren Raum, frei von erfahrungsweltlichen Kontexten und bestehenden Denkrahmen. Inwiefern Lepsius' Haltung zu Armenien, oder präziser, zum Komplex der "armenischen Frage", wie er sie in der Sprache der Zeit fasste, dabei mit seinem Engagement gegen den Völkermord zu verrechnen ist und inwieweit Lepsius' Haltung während des Völkermords vor der Folie seiner Einstellung zur "armenischen Frage" zu sehen ist, die sich ab den 1890er Jahren herausbildete, sind noch weitgehend ungeklärte Fragen.6

Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Im Kern geht um die Frage, wie Lepsius sich vor und während des Völkermords zur "armenischen Frage" verhielt, wie er über diese Frage kommunizierte und welche Haltung sich in seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Komplex ausmachen lässt. Ziel des Beitrages ist es, das bisherige Bild von Lepsius' Haltung und seinen handlungsleitenden wie handlungslegitimierenden Argumentationsmustern um eine für seine Zeit nicht untypische, für Lepsius aber bislang wenig beachtete Dimension zu erweitern, nämlich die imperialistisch-ökonomischen Aspekte seiner Haltung zur "armenischen Frage."7

Zunächst wird im Rahmen einer kurzen biographischen Skizze Lepsius' Leben nachgezeichnet, wobei – ohne teleologische Implikationen – vor allem sein philarmenisches, weniger sein theologisches Wirken im Vordergrund stehen wird (I). Daran anschließend steht die Frage im Mittelpunkt, wie Lepsius über die "armenische Frage" schrieb, was diese Frage für ihn ausmachte, für welche Lösungsansätze er optierte und wie sich seine Haltung zur "armenischen Frage" durch den Völkermord änderte (II). In einem dritten und letzten Schritt wird der Erkenntniswert dieser Überlegungen reflektiert sowie ihr Platz in der Erforschung von Lepsius' Leben und Wirken verortet (III).

 

I. Biographische Skizze

Johannes Lepsius wurde am 15. Dezember 1858 als Sohn des Ägyptologen und Begründers der akademisch institutionalisierten Ägyptologie in Deutschland, Karl Richard Lepsius, in Berlin geboren.8 Nach dem Abitur nahm Lepsius im März 1878 ein Studium der Theologie in Erlangen auf, wechselte aber nach dem ersten Semester sowohl Studienfach als auch Universität und begann im Winter 1878/79 ein Philosophiestudium an der Universität München, wo er vor allem die philosophiegeschichtlichen Vorlesungen Carl Prantls besuchte. Prantl war es auch, der eine Preisaufgabe ausschrieb, an der Lepsius sich im April 1879 mit einer Arbeit beteiligte, die ihm mit nur 20 Jahren die Promotion zum Doktor der Philosophie – summa cum laude – einbrachte. Nach einigen erfolglosen Versuchen als Schriftsteller und Dramatiker im Laufe des Jahres 1880 erwog Lepsius 1881 zunächst eine philosophische Habilitation, wandte sich dann aber wieder der Theologie zu und war ab 1884 für die evangelische Kirche in Jerusalem tätig. 1886 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er eine Pfarrstelle in Friesdorf (Harz) antrat. Im September 1895 war er Mitbegründer der "Deutschen Orient-Mission", die sich der Missionierung der muslimischen Bevölkerung im Nahen und Mittleren Osten verschrieb. Fast gleichzeitig erhielt Lepsius erstmals Kenntnis über die seit 1894 im Osmanischen Reich stattfinden Massaker an der armenischen christlichen Minderheit, was ihn im Frühsommer 1896 zu einer Reise nach Armenien bewog.9

Seine Erfahrungen während seiner Armenienreise führten 1897 zur Veröffentlichung des Buches "Armenien und Europa. Eine Anklageschrift wider die christlichen Großmächte und ein Aufruf an das christliche Deutschland"10. Damit tat Lepsius sich erstmals öffentlich als philarmenischer Akteur hervor und machte erstmals seine Ansichten zur Entstehung der Konflikte und der "armenischen Frage" einem breiteren Publikum zugänglich. In den folgenden Jahren gründete er ein Hilfswerk für Armenien, das Schulen und Krankenhäuser betreute und eine Fabrik unterhielt und gab mehrere Zeitschriften heraus, in denen er in den folgenden Jahren immer wieder Artikel publizierte, die sich in detaillierter Analyse mit der geopolitischen Situation sowie der demographischen Zukunft Armeniens und der Armenier beschäftigten.11

1913 hatte Lepsius sich durch sein Engagement als einer der zentralen deutschen armenophilen Akteure etabliert. Dies ermöglichte es ihm, mit der jungtürkischen Führung einen Reformplan für die Armenier auszuhandeln, der ihnen eine weitgehende Autonomie geben sollte, dessen Ausführung durch den Beginn des Ersten Weltkrieges jedoch zum Stillstand kam.12 Im Juni 1915 erreichten Lepsius die ersten Nachrichten über die im April begonnenen Deportationen von Armeniern, woraufhin er wieder nach Armenien reiste. Von der Situation und dem Völkermord schockiert, intervenierte er vergeblich beim Auswärtigen Amt zwecks eines mäßigenden Einflusses auf die türkischen Verbündeten, was aber ebenso wenig Wirkung zeitigte wie eine persönliche Unterredung mit dem jungtürkischen Verbündeten Enver Pascha.13 Nach seiner Rückkehr nach Deutschland veröffentlichte Lepsius 1916 den "Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei"14. Bis heute ist er eine der grundlegenden Quellensammlungen und Dokumentationen des Völkermords, bescherte ihm jedoch einen erheblichen Konflikt mit der Reichsregierung, die seine Opposition gegen den Völkermord vor allem als Opposition gegen den türkischen Verbündeten interpretierte – ein Konflikt, der Lepsius im Herbst 1916 ins Exil nach Holland trieb.15

Das Kriegsende 1918 änderte Lepsius' Ansehen schlagartig: Aus der persona non grata wurde ein gefragter Gesprächspartner des Auswärtigen Amtes. Lepsius schien sich ideal dazu zu eignen, die vor allem von alliierter Seite vorgebrachten Vorwürfe zu entkräften, Deutschland trage eine erhebliche Mitverantwortung am Völkermord, und als humanitäres Gewissen Deutschlands zu fungieren. Lepsius selbst brachte sich für die Versailler Friedensverhandlungen als Experte für die "Fragen des Orients"16 ins Spiel und wurde kurz darauf vom Auswärtigen Amt mit der Herausgabe der Aktenedition "Deutschland und Armenien 1914-18" beauftragt, die der Entlastung Deutschlands dienen sollte.17 Das Auswärtige Amt war es auch, das Lepsius zu einem der Mitherausgeber des Werkes "Die Große Politik der Europäischen Kabinette"18 machte; ein Projekt, mit dem sich Lepsius bis zu seinem Tod am 3. Februar 1926 beschäftigte.19

 

II. Lepsius und die "armenische Frage"

Lepsius war also während des Völkermords einer der zentralen Akteure innerhalb Deutschlands und wirkte nicht nur als ein – etwas überspitzt und anachronistisch gesprochen –, die Öffentlichkeit suchender armenophiler Aktivist, sondern auch auf politisch-diplomatischer Ebene, wo er in den höchsten Kreisen von jungtürkischer Führung, Auswärtigem Amt und deutscher Botschaft in der Türkei verkehrte. Was aber stand hinter diesem Engagement, oder, anders gefragt, in welchen Kategorien dachte und argumentierte Lepsius in Bezug auf Armenien vor dem Ersten Weltkrieg? Diese Frage führt zu jenen Kontexten, die für sein späteres Handeln fraglos die Grundlage bilden und erklären helfen, weshalb Lepsius den Völkermord derart vehement bekämpfte, ohne dass man allein auf das Motiv christlich-humanitärer Nächstenliebe verweisen müsste. Von elementarer Bedeutung sind die von Lepsius begrifflich als "armenische Frage" gefasste Situation der Konflikte zwischen muslimisch-türkischer Mehrheit und armenisch-christlicher Minderheit sowie seine Analyse dieser Situation und ihrer Lösungsmöglichkeiten.

Bereits in "Armenien und Europa" hatte Lepsius 1896 die These vertreten, dass für die Massaker an den Armeniern und der spannungsgeladenen Situation im Osmanischen Reich vor allem die europäische Pentarchie verantwortlich sei; "daß niemand anders die furchtbare Vernichtung des armenischen Volkes herbeigeführt hat als die Politik der Großmächte selbst"20 – eine Aussage, die er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht weiter ausführte. In den Jahren zwischen 1896 und 1913 ist dann, bedingt durch eine immer intensivere Beschäftigung Lepsius' mit Armenien, eine zunehmende Ausdifferenzierung seiner Analysen und Argumentationen festzustellen. Zwischen der jungtürkischen Revolution 1908 und dem Beginn des Völkermords 1915 veröffentlichte Lepsius eine Vielzahl von Texten, die sich dezidiert mit der "Zukunft der Türkei" auseinandersetzten. Aus ihnen lässt sich seine Haltung zu Armenien während jener Jahre herausdestillieren.21

Nach Lepsius' Argumentation waren vor allem der russisch-türkische Krieg von 1877 und der ihn beendende Berliner Vertrag von 1878 für die Entstehung der "armenischen Frage" ursächlich: Die im Berliner Vertrag implementierten Maßnahmen und Reformen zur Besserstellung der armenischen Minderheit seien Lippenbekenntnisse der Großmächte geblieben und hätten ein künstliches, nicht historisch gewachsenes Misstrauen zwischen dem osmanischen Sultan Abdülhamid und den Armeniern geschaffen. Der Sultan habe nach dem Berliner Vertrag ein beständiges Interventionsrisiko seitens der Großmächte befürchtet.22 Insbesondere die britische Diplomatie habe in Verbindung mit dem russischen Zarenreich eine künstliche Verlängerung des im Niedergang befindlichen Osmanischen Reiches – "wider die Natur"23 – beschlossen, obwohl dieses sich, wie Lepsius anhand einer detaillierten Aufstellung sämtlicher osmanischer Konflikte mitsamt ihrer Territorialverluste seit 1699 aufzuzeigen versuchte, in einem Prozess des schleichenden Todes befunden habe.24

Für Lepsius implizierte dieser Prozess eine territoriale Erosion des Osmanischen Reiches an seiner Peripherie, wodurch letztlich als finales Problem die Zukunft des asiatischen Teils der Türkei als Kernland des Osmanischen Reiches in Frage stehen müsse – ein Problemfeld, das Lepsius in eine bildhafte Metapher kleidete:

"Man könnte das Kartenbild der asiatischen Türkei mit einem springenden Löwen vergleichen, dessen Kopf Anatolien, dessen Rumpf Armenien und dessen Füße Syrien und Mesopotamien sind. Um im Bilde zu bleiben, ließe sich die ‚orientalische Frage' folgendermaßen in die ‚arabische' und die ‚armenische' Frage zerlegen. Die ‚arabische Frage' lautet: Werden die Füße des Reiches auf die Dauer willig sein, den Rumpf und das Haupt zu tragen? Die ‚armenische Frage' lautet: Werden Kopf und Rumpf auf die Dauer zusammenhalten?"25

Die Spannungen, die nach Lepsius diese Zerreißprobe heraufbeschworen, begründete er jedoch nicht allein mit Verweis auf die bereits erwähnten geopolitischen Entscheidungen der Großmächte. Er argumentierte auch vor dem Hintergrund demographisch-statistischer Überlegungen. Seiner Rechnung nach lebten innerhalb der asiatischen Türkei etwa sechs Millionen Türken und zwei Millionen Armenier, wobei die Zahl der Türken beständig geschrumpft, die der Armenier dagegen ständig angestiegen sei.26 Lepsius projizierte diese demographische Entwicklung in die Zukunft und schloss daraus, dass die Armenier über kurz oder lang zur dominierenden Bevölkerungsgruppe auf dem Gebiet der asiatischen Türkei werden würden. Die bevorstehende Hegemonie der Armenier dehnte Lepsius dabei auch auf den Bereich der Wirtschaft aus:

Die europäischen Investitionen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts seien stets zu Gunsten der Armenier erfolgt. Insbesondere vom Eisenbahnbau hätten im Wesentlichen die Armenier profitiert: "In den Städten des Inlandes liegen Handel und Gewerbe vom Mittelmeer bis an die russische Grenze in den Händen der Armenier"27, analysierte Lepsius, die muslimischen Türken dagegen hätten nicht nur vor dem Hintergrund der demographischen, sondern auch der ökonomischen Entwicklung einen deutlichen, kaum einholbaren Entwicklungsrückstand.28 Für die Zukunft der asiatischen Türkei schlussfolgerte Lepsius deshalb, dass die Armenier die kommende Führungsethnie dieses Gebietes seien, oder anders gewendet: "Die ‚orientalische Frage' der Zukunft wird in der Hauptsache die ‚armenische Frage' sein."29 Lepsius begriff Armenien als "Polen des Orients", dass sich im Interessenkonflikt konkurrierender Großmächte befand und drohte, aufgerieben zu werden, wobei er Armenien – anders als Polen – "nur" in der Interessenssphäre zweier Mächte liegend sah.30

Die "armenische Frage" hatte für Lepsius also eine doppelte Problemdimension: Zum einen sei sie das Ergebnis der Politik der europäischen Großmächte gegenüber dem Osmanischen Reich. Die Großmächte hätten die Armenier als ein Instrument zur Intervention gegenüber dem Sultan missbraucht, was wiederum das Misstrauen des Sultans gegenüber den Armeniern erzeugt habe. Zum anderen sah Lepsius aber auch eine für die armenische Minderheit sprechende demographische und ökonomische Entwicklung, die die Armenier zwangsläufig zur zahlenmäßig wie wirtschaftlich beherrschenden Ethnie innerhalb der Türkei werden lassen würde – eine Situation von erheblicher Sprengkraft: "Die armenische Frage [ist] der kritische Punkt […], an dem sich das Schicksal des Reiches entscheiden wird."31

Darüber hinaus hatte die "armenische Frage" nicht nur für die Zukunft der Türkei eine erhebliche Bedeutung. Lepsius sah durch die Situation im Nahen Osten auch in erheblichem Maße das "Interesse Deutschlands"32 bedroht. Den Orient beschrieb er als den zentralen Wirtschaftsraum der Zukunft und als ein Gebiet von größter wirtschaftlicher Bedeutung. Zur Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen sprach er sich deshalb für das Weiterbestehen der Türkei und nicht für ihre Aufteilung aus. Besonders hohen Wert legte er auf den Erhalt der guten Beziehungen zu den Armeniern, denen er eine Schlüsselrolle bei der zukünftigen Entwicklung der Türkei zuschrieb.33

Während Lepsius mit den Jungtürken den Reformplan zur weitgehenden armenischen Autonomie aushandelte, war er im Juni 1914 auch an der Gründung der "Deutsch-Armenischen Gesellschaft" beteiligt, deren Ziel eine dezidierte Förderung der kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Armenien war; eine Zusammenarbeit, die Lepsius als das Gebot der Stunde darstellte. An der Gründung der Gesellschaft und der Durchsetzung des Reformplans habe "Deutschland, dessen diplomatische Vertretung den Reformplan wesentlich gefördert hat, ein unmittelbares Interesse. Durch seine großen wirtschaftlichen Unternehmungen in Kleinasien, die teils in überwiegend von Armeniern bewohnten Gebieten gelegen sind, teils unmittelbar an solche Gebiete heranführen, wird es auf die Pflege engerer Beziehungen zu den Armeniern hingewiesen, die ja in allen diesen Gebieten die Träger des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens sind."34

Der Beginn des Ersten Weltkrieges beschränkte zwar die Möglichkeiten der Armenienhilfe; das im Oktober 1914 besiegelte Bündnis zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei schien Lepsius jedoch – bei aller künftigen Dominanz, die er den Armeniern prophezeit hatte – eine verheißungsvolle Zukunft für Deutschland zu versprechen: "Welche Aufgabe eröffnet sich hier, nach einem, Gott gebe es, glücklichen Kriegsausgang für unsere deutsche Orientmission?"35 Die dominante Rolle bei der Mission könnte nach dem Gewinn des Krieges den Weg ebnen für eine deutsche "Vormachtstellung im Orient"36 – eine Aussicht, der Lepsius euphorisch entgegensah. Dass das Bündnis den von ihm selbst ausgehandelten Reformplan suspendierte, störte Lepsius augenscheinlich zunächst weniger: "Über den gegenwärtigen Gewinn, den uns die Waffenbrüderschaft mit der Türkei bringt, ist nicht zu streiten. Sie bedeutet eine Schwächung unserer Gegner, die nicht gering zu veranschlagen ist."37 In Anbetracht dessen, was nach seiner Ansicht auf dem Spiel stand, nämlich die Stellung Deutschlands im Orient und in der Welt, hielt Lepsius sich mit Äußerungen zu Armenien und seinen Bewohnern zwischen Kriegsbeginn und dem Beginn des Völkermords auffallend zurück. Offensichtlich dominierten in dieser Phase patriotisch-nationalistische Kategorien seine Haltung zu Armenien, zumindest seine nach außen gerichtete Haltung.

Gegenüber dem Auswärtigen Amt argumentierte Lepsius ähnlich. Allerdings müssen seine Aussagen in diesem Kommunikationsraum, anders als in den an die Öffentlichkeit bzw. den Kreis seiner Abonnenten gerichteten Zeitschriftenartikeln, vor dem Hintergrund seiner Überlegungen gesehen werden, auch in Kriegszeiten die Arbeit seines "Armenischen Hilfswerkes" garantieren zu können. Gegenüber dem Auswärtigen Amt äußerte Lepsius seine Hoffnung, "daß das armenische Volk im engen Anschluß an die Türkei seine nationale Kraft für den Sieg der osmanischen Waffen einsetzt"38, um das Militärbündnis mit Deutschland zu fördern.

Auch als Lepsius im Juni 1915 erstmals Kenntnis vom Beginn des Völkermordes erhielt, galt seine Hauptsorge offenbar zunächst Deutschland bzw. deutschen Interessen. So argumentierte er zumindest gegenüber dem Auswärtigen Amt, als er um Erlaubnis zu einer Reise in die Türkei nachsuchte. Lepsius gab als Hauptgrund für seine Reise an, vor allem deswegen in die Türkei reisen zu wollen, um die "Armenier zur Vernunft zu bringen, […] die Besorgnisse der Armenierfreunde in Deutschland [zu] mildern" und den Armeniern das Gefühl zu vermitteln, "daß Deutschland ihre Sache der politischen Konstellation nicht zu opfern gedenkt".39 Vieles spricht dafür, dass Lepsius gegenüber dem Auswärtigen Amt taktisch solche Töne anschlug, mit denen er dort durchzudringen hoffte; gleichsam darf nicht übersehen werden, dass die Argumentation sich durchaus in Lepsius' öffentliche Äußerungen aus der Vorkriegszeit einfügt. Die Deportationen der armenischen Bevölkerung, die im Juni 1915 begannen, bewertete Lepsius zu diesem Zeitpunkt noch als "Maßregeln gegen armenische Untertanen, wie sie zur Unterdrückung von Spionage und lokalen Unruhen notwendig erscheinen". Es war ihm jedoch wichtig festzuhalten, diese Deportationen seien sicherlich "nur von episodischer Bedeutung und berühren unser deutsches Interesse nicht", weshalb es seitens des Auswärtigen Amts und der Botschaft keinerlei Notwendigkeit gebe, auf den Bündnispartner einzuwirken, die Deportationen zu unterlassen.40 Alles in allem erschienen ihm die "Deportationen unbedenklich, wenn nicht die türkische Verwaltungstechnik […] meist den Erfolg hätte, dass die Deportierten eingehen."41 Deportationen, die eine von Lepsius allerdings nicht näher definierte "Grenze der militärischen Maßnahmen" nicht überschritten, kamen ihm alles in allem nicht kritikwürdig vor.42

Nur eine Woche später hatte sich seine Haltung deutlich geändert und er erkannte, dass die Absicht hinter den Deportationen nicht die Umsiedlung, sondern die Auslöschung der armenischen Minderheit war. Man erlebe zurzeit ganz offensichtlich "den Versuch, unter dem Schleier des Kriegsrechtes […] die christliche Bevölkerung des Reiches nach Möglichkeit zu decimieren und […] der Ausrottung preiszugeben"43. Angesichts der wirtschaftlichen Pläne, die Lepsius und die Deutsch-Armenische Gesellschaft für den Fall eines deutschen Sieges hegten, war dies eine Schreckensperspektive. Lepsius fürchtete ganz offenkundig, dass die Vernichtung der Armenier für Deutschland bedeuten würde, auf die ökonomisch und demographisch wichtigste Bevölkerungsgruppe auf dem Gebiet der Türkei verzichten zu müssen. Er sorgte sich, dass

"durch die Ausrottungspolitik der gegenwärtigen türkischen Machthaber […] in der gesammten [sic!] armenischen Nation […] ein Hass gegen die Türkei systematisch gezüchtet [wird], der nur den Interessen der Entente-Mächte zugute kommt und dem Einfluss Deutschlands auf die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, die zum grössten Teil auf den Schultern der Armenier liegt, in höchstem Maße schädlich sein muss."44

Zudem fürchtete Lepsius auch um den Ruf Deutschlands in der Welt, falls bekannt werden sollte, dass ein Bündnispartner Deutschlands im Schatten des Krieges einen Völkermord durchführte.45

Seine Armenienreise und seine Erfahrungen mit dem Auswärtigen Amt und der Reichsregierung, die über den Völkermord informiert waren, aber keinerlei Interesse zeigten, das militärische Bündnis mit der Türkei auf Grund des Völkermordes in Frage zu stellen, bedingten bei Lepsius im Verlauf des Jahres 1915 schließlich jenen Einstellungswandel, der 1916 in der Veröffentlichung des "Berichts über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei" sowie einige diese Publikation vorwegnehmende Artikel gipfelte. Zunächst spielte Lepsius allerdings noch auf einer eher ökonomisch gestimmten Argumentationsklaviatur und klammerte das christlich-humanitäre Motiv aus.46 Erst 1916, mit der Veröffentlichung des "Berichts", standen christliche Argumente im Vordergrund, welche die ökonomisch geprägten Denklinien überwogen: "Legt uns die Waffenbrüderschaft mit der Türkei Verpflichtungen auf, so darf sie uns doch nicht hindern, die Gebote der Menschlichkeit zu erfüllen. Müssen wir auch in der Öffentlichkeit schweigen, so hört doch unser Gewissen nicht auf zu reden. Das älteste Christenvolk der Christenheit ist, soweit es unter türkischer Herrschaft steht, in Gefahr vernichtet zu werden."47

Gleichwohl gedachte er nicht, das deutsche Interesse für die Sache der Armenier zu opfern. So betonte er, durch die Veröffentlichung seines Berichts dürfe auf "keinen Fall […] unser politisches Interesse durch eine Diskreditierung [der Türkei, C.W.] geschädigt werden".48

 

III. Resümee

Der vorliegende Beitrag hat versucht, die Haltung von Johannes Lepsius zu Armenien vor, während und nach dem Völkermord um einige, notwendigerweise skizzenhafte Facetten zu erweitern, die in der bisherigen Forschung kaum Beachtung gefunden haben. Innerhalb der Forschung dominiert die Tendenz, Lepsius vor allem in seiner Außergewöhnlichkeit zu betrachten: als die "deutsche Ausnahme"49, die er durch die Herausgabe des "Berichts" und sein Engagement gegen den Völkermord auch zweifelsohne war. Diese Konzentration auf den Ausnahmecharakter Lepsius' hat dabei jedoch den Blick verstellt auf die Gemeinsamkeiten und die Gewöhnlichkeit, die Lepsius mit dem vorherrschenden Denken seiner Zeit verband. Die Ausklammerung dieser Gemeinsamkeiten wirkt ahistorisch: Gerade für die kulturprotestantischen und -imperialistischen Kreise des späten Kaiserreichs, in denen Lepsius sich als Akteur im philarmenischen Spektrum bewegte, waren seine auf ökonomische und demographische Faktoren konzentrierten Lösungsentwürfe charakteristisch.

Lepsius offenbarte in seiner Analyse der "Zukunft der Türkei" ein elaboriertes Verständnis der komplexen Gemengelage, die nicht nur er als "armenische Frage" diskutierte. Für Lepsius summierten sich die ökonomischen, demographischen, geopolitischen und religiösen Spannungen im zerfallenden Osmanischen Reich zu einem ganzen Themenkomplex. Vielversprechend und profitabel erschien ihm vor allem eine prospektive wirtschaftliche Ausdehnung des deutschen Machtbereichs in die Türkei durch eine Kooperation mit den christlichen Armeniern. In ihnen erblickte er die Gewinner einer historischen Entwicklung, an deren Ende der Zerfall des Osmanischen Reiches und der Niedergang einer türkisch-muslimisch dominierten Türkei stehen müssten. Ebenso wenig wie es verfängt, Lepsius als einen ausschließlich in christlich-humanitären Dimensionen denkenden Menschen zu charakterisieren, verfängt das andere Extrem, ihn als einen kühl kalkulierenden Imperialisten zu begreifen. Ein facettenreiches Bild Lepsius' scheint, um Thomas Nipperdeys Diktum der "Grundfarben der Geschichte" zu zitieren, weder im Weiß reiner christlicher Nächstenliebe, noch im Schwarz ökonomisch-geopolitischer Expansionsbestrebungen zu liegen. Treffender erscheint es, beide Dimensionen in die Motivlage mit einzubeziehen, die Lepsius dazu bewog, sich gegen den Völkermord zu wenden. Auch und gerade die 1900 in Karlsruhe mit Friedrich Naumann geführte Debatte um das Verhältnis von Machtpolitik und christlicher Ethik zeigt, dass Lepsius Weltpolitik und Christentum zusammendachte, sich beide Ebenen in seinem Denken also überlagerten.50

Zudem ist es etwa auf Grund fehlender Tagebücher etwa erkenntnistheoretisch äußerst schwierig, Lepsius' "eigentliche" Motivation im Sinne seiner "tatsächlichen" Absichten und inneren Überzeugungen aufdecken zu wollen. Verlässlicher erscheint es, Lepsius' Veröffentlichungen zu analysieren. Seine publizierten Texte zeigen, dass in den Kreisen, die Lepsius durch seine Zeitschriften zu erreichen versuchte, offensichtlich gerade die ökonomischen und imperialistischen Diskurse vorherrschend waren und somit anschlussfähig schienen, zumal – auch diese Dimension muss bedacht werden – sich Lepsius' Zeitschriften und sein Spendenwerk über Abonnenten und Spenden finanzierten. Seine auf die wirtschaftlichen Aspekte konzentrierten Ausführungen zur "armenischen Frage" legen also zumindest die Vermutung nahe, dass Lepsius sich mit dieser Stoßrichtung größere Anschlussfähigkeit und Wirkung seiner Analysen erhoffte.

 

 

 

  • 1. So etwa die Titel von Werner-Ulrich Deetjen, Ein deutscher Theologe im Kampf gegen Völkermord. D. Dr. Johannes Lepsius (1858-1926), Helfer und Anwalt der Armenier. In: Theologische Beiträge 24 (1993), S. 26-49 und Hermann Goltz, Pfarrer D. Dr. Johannes Lepsius (1858-1926) – Helfer und Anwalt des armenischen Volkes. In: Ders. (Hrsg.), Akten des Internationalen Dr.-Johannes-Lepsius-Symposiums an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle (Saale) 1987, S. 19-52. Die Bezeichnung "Anwalt der Armenier" verlieh Lepsius sich selbst. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schrieb er: "Eins aber sehe ich noch heute als mein Vorrecht an, Anwalt eines Volkes gewesen zu sein, das, obwohl unverflochten in die Ursachen des Weltkrieges, zehnfach mehr als jedes andere Volk der Welt durch seine fluchwürdige Barbarei gelitten hat", siehe Johannes Lepsius, Was hat man den Armeniern getan?, In: Mitteilungen aus der Arbeit von D. Dr. Johannes Lepsius (=MAJL) 11/12 (1918), S. 113-118.
  • 2. Diese Sichtweise durchzieht – mit perspektivisch zwar nahe liegenden, dennoch mitunter hagiographisch anmutenden Tendenzen – die theologischen Beiträge zu Lepsius; sie findet sich jedoch auch in dezidiert geschichtswissenschaftlicher Perspektive bei Andreas Schulz, Orientmission und Weltpolitik. Johannes Lepsius und der europäische Imperialismus. In: Historie und Leben. Der Historiker als Wissenschaftlicher und Zeitgenosse. Festschrift für Lothar Gall zum 70. Geburtstag. Herausgegeben von Dieter Hein, Klaus Hildebrand und Andreas Schulz. München 2006, S. 453-466, hier S. 459. Deutlich ist dieser Fokus auf die Dominanz "christlicher Überzeugung" auch bei Rolf Hosfeld, Zu diesem Buch. In: Ders. (Hrsg.): Johannes Lepsius – Eine deutsche Ausnahme. Der Völkermord an den Armeniern, Humanitarismus und Menschenrechte. Göttingen 2013, S. 7-8, hier S. 7.
  • 3. Dazu exemplarisch Hermann Goltz, Dr. Johannes Lepsius – Eine Skizze, in: Deutschland, Armenien und die Türkei 1895-1925. Dokumente und Zeitschriften aus dem Dr.-Johannes-Lepsius-Archiv. Bearbeitet von Hermann Goltz und Axel Meissner. 1. Teil: Katalog. München 1998, S. IX-XVI, hier S. XVI.
  • 4. Lepsius findet in den einschlägigen Standardwerken zum Völkermord an den Armeniern Erwähnung, etwa bei Donald Bloxham, The Great Game of Genocide. Imperialism, Nationalism, and the Destruction of the Ottoman Armenians. Oxford 2007 sowie Vahakn N. Dadrian, The History of the Armenian Genocide. Ethnic Conflict from the Balkans to Anatolia to the Caucasus. 6. Auflage Providence 2008. Innerhalb der deutschen Forschung bietet Rolf Hosfeld, Operation Nemesis. Die Türkei, Deutschland und der Völkermord an den Armeniern. 2. Auflage Köln 2009 eine detaillierte Einordnung von Lepsius' Initiativen vor und während des Völkermords. Die umfassendste Annäherung an Lepsius bietet der Band zur im September 2012 veranstalteten Tagung im Lepsiushaus Potsdam, siehe die Beiträge in Hosfeld (Hrsg), Johannes Lepsius.
  • 5. Zur armenophilen Bewegung im Kaiserreich siehe Norbert Saupp, Das Deutsche Reich und die armenische Frage 1878-1914. Univ.-Diss. Köln 1990; Clemens Sorgenfrey, Zwischen Barmherzigkeit und Politik. Die deutsche proarmenische Bewegung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, in: Deutsch-Armenische Gesellschaft (Hrsg.): Armenien. Geschichte und Gegenwart in schwierigem Umfeld. Frankfurt a. M. 1998, S. 20-36 und Uwe Feigel, Das evangelische Deutschland und Armenien. Die Armenierhilfe deutscher evangelischer Christen seit Ende des 19. Jahrhunderts im Kontext der deutsch-türkischen Beziehungen. Göttingen 1989 [zugl. Univ. Diss. Kiel 1987/88] (=Kirche und Konfession 28). Siehe auch Ulrich Sieg, Deutsche Intellektuelle und ihre Haltung zu Armenien. In: Hosfeld (Hrsg.), Johannes Lepsius, S. 110-125.
  • 6. Als Ausnahme erscheint hier vor allem M. Rainer Lepsius, Johannes Lepsius' politische Ansichten. In: Hosfeld (Hrsg.), Johannes Lepsius, S. 27-58.
  • 7. Diese Dimension ist zwar verschiedentlich angerissen worden, etwa bei Hosfeld, Johannes Lepsius und M. Rainer Lepsius, Johannes Lepsius' politische Ansichten, fungiert dabei jedoch meist als eine zu vernachlässigende Kontrastfolie, vor der die Außergewöhnlichkeit im Handeln Lepsius' gezeichnet wird.
  • 8. Zu Karl Richard Lepsius siehe Hartmut Mehlitz, Richard Lepsius. Ägypten und die Ordnung der Wissenschaft. Berlin 2011; Jürgen Stettgast, Lepsius, Karl Richard. In: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 308-309 sowie Hermann Goltz, Karl Richard Lepsius (23.12.1810-10.7.1884). In: Theologische Literaturzeitschrift 10.109 (1984), Sp. 777-782. Die Skizze von Lepsius' Biographie stützt sich auf Deetjen, Ein deutscher Theologe; Hermann Goltz, Zwischen Deutschland und Armenien. Zum 125. Geburtstag des evangelischen Theologen Dr. Johannes Lepsius (15.12.1858-3.2.1926). In: Theologische Literaturzeitschrift 12.108 (1983), Sp. 864-886; Mario Rainer Lepsius, Johannes Lepsius. Die Formung seiner Persönlichkeit in der Jugend- und Studienzeit. In: Hermann Goltz (Hrsg.), Akten des Internationalen Dr.-Johannes-Lepsius-Symposiums an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle (Saale) 1987, S. 72-93; Mario Rainer Lepsius, Johannes Lepsius – Biographische Skizze. In: Johannes Lepsius (Hrsg.), Deutschland und Armenien 1914-1918. Sammlung diplomatischer Aktenstücke. Mit einem Vorwort zur Neuausgage von Tessa Hoffmann und einem Nachwort von M. Rainer Lepsius. Bremen 1986, S. 543-546; Goltz, Dr. Johannes Lepsius – Eine Skizze; Gust, Einführung und Leitfaden; Hosfeld, Operation Nemesis; Rolf Hosfeld, Johannes Lepsius. Eine deutsche Ausnahme. In: Ders (Hrsg.), Johannes Lepsius, S. 9-26.
  • 9. Zur Deutschen-Orient-Mission monographisch Atanas Damianov, Die Arbeit der "Deutschen-Orient-Mission" unter den türkischen Muslimen in Bulgarien nach den Quellen im Dr. Johannes-Lepsius-Archiv. Münster u. a. 2003 [zugl. Univ. Diss. Halle (Saale) 2002] (= Studien zur orientalischen Kirchengeschichte 23).
  • 10. Johannes Lepsius, Armenien und Europa. Eine Anklageschrift wider die christlichen Großmächte und ein Aufruf an das christliche Deutschland. Berlin 1897.
  • 11. Die von Lepsius herausgegebenen Zeitschriften sind im Lepsius-Archiv-Halle, heute Potsdam (im Folgenden LAH) überliefert; zudem existiert eine Mikrofiche-Edition, siehe Hermann Goltz und Axel Meissner (Hrsg.), Deutschland, Armenien und die Türkei 1895-1925. Dokumente und Zeitschriften aus dem Dr. Johannes-Lepsius-Archiv an der Universität Halle-Wittenberg. Teil 2: Mikrofiche-Edition. München 1999. Die von Lepsius herausgegebenen Zeitschriften, die in diesem Kontext von Bedeutung sind, sind Der Christliche Orient (=COJL) und die Mitteilungen aus der Arbeit von D. Dr. Johannes Lepsius (=MAJL). Eine Gesamtübersicht über sämtliche Artikel in den Zeitschriften Lepsius', zu denen auch eher religiös orientierte wie Das Reiche Christi gehören, findet sich bei Goltz und Meissner, Katalog, S. 538-622. Die Abkürzung der Zeitschriften folgt dabei dem Standard von LAH und Edition. Nur eine Ausgabe erschien von Mesrop. Zeitschrift der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, die 1914 kriegsbedingt wieder eingestellt wurde, siehe LAH 17660, Mitteilung des Vorstands der Deutsch-Armenischen Gesellschaft (Johannes Lepsius) an die Mitglieder der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, 15.12.1914.
  • 12. Zu diesen Reformen Hermann Goltz, Die "armenischen Reformen" im Osmanischen Reich, Johannes Lepsius und die Gründung der Deutsch-Armenischen Gesellschaft. In: Deutsch-Armenische Gesellschaft (Hrsg.), 75 Jahre Deutsch-Armenische Gesellschaft. Festschrift. Mainz 1989, S. 4-76; Hermann Goltz und Axel Meissner, Armenische Reformen, in: Dies. (Hrsg.), Deutschland, Armenien und die Türkei 1895-1925. Dokumente und Zeitschriften aus dem Dr. Johannes-Lepsius-Archiv an der Universität Halle-Wittenberg. Teil 3: Thematisches Lexikon zu Personen, Institutionen, Orten, Ereignissen. München 2004, S. 35-36; Richard G. Hovanissian, The Historical Dimension of the Armenien Question, 1878-1923. In: Ders. (Hrsg.), The Armenien Genocide in Perspective. New Brunswick und Oxford 1986, S. 19-42.
  • 13. Eingang gefunden hat diese Unterredung auch in Franz Werfels literarischer Verarbeitung des Völkermords, siehe Franz Werfel, Die vierzig Tage des Musagh Dagh. Berlin 1933 – ein Werk, das nicht unwesentlich für Lepsius' Nachruhm verantwortlich ist. Zur Unterredung grundlegend Hosfeld, Johannes Lepsius, S. 18.
  • 14. Johannes Lepsius, Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei. Potsdam 1916.
  • 15. LAH 2588, Brief von Johannes Lepsius an Ewald Stier, 17.01.1917. Lepsius argumentierte, sein Gesundheitszustand habe ihn zu diesem Schritt gezwungen. Daneben dürfte jedoch auch eine Rolle gespielt haben, dass das Auswärtige Amt aus Gründen der Zensur Überlegungen hegte, Lepsius durch Passentzug kalt zu stellen, siehe dazu 1916-10-25-DE-001, Der Chef des Admiralsstabs der Marine (Holtzendorff) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg). In: Gust (Hrsg.), Der Völkermord an den Armeniern, S. 524-525 und 1916-11-09-DE-001, Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an die Gesandtschaft in Den Haag. In: Gust (Hrsg.), Der Völkermord an den Armeniern, S. 530-531. Vahakn N. Dadrian, Armenian Genocide, S. 278-279, äußert dagegen die Vermutung, Lepsius habe in Holland im Auftrag des Auswärtigen Amts weiterhin die englische und französische Presse hinsichtlich ihrer Haltung zu Deutschland analysiert, sei also mitnichten eine völlige persona non grata gewesen.
  • 16. LAH 2757, Brief von Johannes Lepsius an den Staatssekretär des Auswärtigen Solf vom 20.11.1918. Solf wiederum notierte dazu: "Antrag ist ernstlich zu prüfen. Lepsius gilt im Ausland!", siehe Wolfgang Gust (Hrsg.), Der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Dokumente aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts. Springe 2005, S. 592 und Schulz, Orientmission und Weltpolitik, S. 460.
  • 17. Schulz, Orientmission und Weltpolitik, S. 461.
  • 18. Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy und Friedrich Thimme, Die Große Politik der Europäischen Kabinette. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes. 40 Bände, Berlin 1922-1927.
  • 19. Schulz, Orientmission und Weltpolitik, S. 465.
  • 20. Lepsius, Armenien und Europa, S. 83.
  • 21. Mit "Die Zukunft der Türkei" betitelte Lepsius seinen zentralen Aufsatz, siehe Die Zukunft der Türkei. In: COJL 14 (1913), S. 37-60 und S. 73-91. Die für die armenische Frage relevanten Texte dieses Zeitraums sind, in chronologischer Reihenfolge, Der gegenwärtige Stand der armenischen Frage. In: COJL 5 (1904), S. 129-133; Die politische und religiöse Wiedergeburt des Orients. In: COJL 9 (1908), S. 142-149; Die Gegenrevolution in Persien. In: COJL 13 (1912), S. 9-15 und S. 33-36; Der Zusammenbruch der jungtürkischen Herrschaft. In: COJL 13 (1912), S. 119-126; Der Fall Konstantinopels. In: COJL 13 (1912), S. 167; Die europäische Türkei. In: COJL 13 (1912), S. 183-187; Die Ursachen des Zusammenbruchs. In: COJL 14 (1913), S. 1-5; Die armenischen Reformen. In: COJL 14 (1913), S. 177-181 und S. 214-219. Eine Analyse von "Die Zukunft der Türkei", die sich mitunter auf die gleichen, weil frappanten Zitate stützt, bietet – wenn auch mit anderer Bewertung – M. Rainer Lepsius, Johannes Lepsius' politische Ansichten; ein Beitrag, der für die folgenden Ausführungen von hoher Relevanz ist.
  • 22. Lepsius, Die armenischen Reformen. S. 177-181, vgl. auch M. Rainer Lepsius, Johannes Lepsius' politische Ansichten, S. 28-29.
  • 23. Lepsius, Die Zukunft der Türkei, S. 37-38.
  • 24. Ebd., S. 38-43.
  • 25. Ebd., S. 46.
  • 26. Ebd., S. 58.
  • 27. Ebd.
  • 28. Ebd.
  • 29. Ebd., S. 60.
  • 30. Ebd., S. 76-77.
  • 31. bd., S. 84.
  • 32. Ebd., S. 86.
  • 33. Ebd., S. 86-87, vgl. dazu auch Wolfgang Gust, Einführung und Leitfaden, S. 77.
  • 34. Lepsius, Aufruf zur Begründung der "Deutsch-Armenischen Gesellschaft", in: COJL 15 (1914), S. 101-104.
  • 35. Lepsius, Die Türkei im Kriegszustande, In: COJL 15 (1914), S. 156-158.
  • 36. Ebd., S. 158.
  • 37. Lepsius, Unsere Waffenbrüderschaft mit der Türkei. In: COJL 16 (1915), S. 9-17 und S. 23-32, hier S. 11. Für eine Rohversion dieser Auseinandersetzung Lepsius' mit dem deutsch-türkischen Bündnis siehe LAH 16552, Unsere Waffenbrüderschaft mit der Türkei, von Dr. Johannes Lepsius.
  • 38. 1914-12-24-DE-001, Der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen Gesellschaft (Johannes Lepsius) an das Auswärtige Amt. In: Gust (Hrsg.) Der Völkermord an den Armeniern, S. 118.
  • 39. 1915-06-06-DE-001, Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim). In: Gust (Hrsg.), Der Völkermord an den Armeniern, S. 165-167.
  • 40. 1915-06-17-DE-001, Johannes Lepsius an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Rosenberg. In: Gust (Hrsg.), Der Völkermord an den Armeniern, S. 167-170, hier S. 167.
  • 41. 1915-06-17-DE-001, Johannes Lepsius an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Rosenberg. In: ebd., S. 169.
  • 42. 1915-06-17-DE-001, Johannes Lepsius an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Rosenberg. In: ebd., S. 170.
  • 43. 1915-06-22-DE-001, Johannes Lepsius an das Auswärtige Amt. In: ebd., S. 172.
  • 44. 1915-06-22-DE-001, Johannes Lepsius an das Auswärtige Amt. In: ebd., S. 173.
  • 45. 1915-06-22-DE-001, Johannes Lepsius an das Auswärtige Amt. In: ebd., S. 172.
  • 46. Nach seiner Rückkehr aus der Türkei und dem Gespräch mit Enver Pascha am 10.08.1915, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann, hielt Lepsius zunächst einen Vortrag vor Vertretern der Presse, siehe LAH 1010, Zur inneren Lage der Türkei, wobei auch hier wirtschaftliche Argumentationen im Vordergrund standen, siehe 1915-10-12-DE-001, Der Vorsitzende des Vereins deutscher Zeitungsverleger Friedrich Faber an den Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann). In: Gust (Hrsg.): Der Völkermord an den Armeniern, S. 331-336. Diesem Brief hängt ein Bericht der Berliner Redaktion der "Magdeburger Zeitung" über den Vortrag von Lepsius vor der Presse an, der ausführlich die wirtschaftliche Dimension thematisiert. Im Folgenden erschien dann ein Artikel, der erstmals die Deportationen öffentlich zu machen suchte, siehe Lepsius, Die Wegführung nach Assyrien. In: COJL 16 (1915), S. 86-93.
  • 47. Lepsius, Bericht, S. i.
  • 48. Ebd., S. iii.
  • 49. Hosfeld (Hrsg.), Johannes Lepsius – Eine deutsche Ausnahme.
  • 50. Dazu grundlegend Manfred Aschke. Christliche Ethik und Politik. Johannes Lepsius über die Gebote der Bergpredigt und die legitimen sozialen Ordnungen. In: Hosfeld (Hrsg.), Johannes Lepsius, S. 69-94, siehe auch M. Rainer Lepsius, Johannes Lepsius' politische Ansichten, S. 29-33.