Center for Advanced Studies LMU München, 23./24. November 2015
Giulio Salvati
Tagungsbericht
Veröffentlicht am: 
04. April 2016

Die Nachhaltigkeit der grenzüberschreitenden Ansätze in der Geschichtswissenschaft, die unter den Begriffen der transnational, imperial und global history entwickelt werden, eröffnen die Möglichkeit, neue Perspektiven auf ein Thema aufzuzeigen wie auf das Achsenbündnis zwischen Deutschland, Italien und Japan. Dies war eines der Ziele des zweitägigen, von Daniel Hedinger (Ludwig Maximilian Universität München) sowie Reto Hofmann (Monash University) organisierten Workshops, der am 23./ 24. November 2015 am Center for Advanced Studies an der Ludwig Maximilians Universität in München stattfand. Die Anwesenheit von international etablierten Wissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen schuf eine vielversprechende Konstellation, um unter dem Titel Axis Empires neue Wege zu finden, das Beziehungsgeflecht zwischen allen faschistischen Ländern zu erforschen und auszuloten, inwieweit die Kategorie des „Empire“ geeignet ist, die drei Staaten zu beschreiben.

Das einführende Panel widmete sich der Frage, wie konzeptuell die Begriffe „Faschismus“ sowie „Imperialismus“ zusammengebracht werden können. LOUISE YOUNG (University of Wisconsin-Madison) untersuchte, inwieweit Japan bemüht war, innere soziale Spannungen durch neue Eroberungsfeldzüge in Asien abzubauen. In ihrem Beitrag hob sie hervor, inwieweit Japan bereits in den 1930er Jahren mit seinen späteren Bündnispartnern vergleichbar sei. Dies diskutierte sie anhand der antikommunistischen Ideologie, dem Grad der Militarisierung und Mobilisierung der Gesellschaft sowie der panasiatischen Vision. RETO HOFMANN (Monash University) präsentierte ein Konzept, wie nationale ökonomische Krisen den Faschismus oder den Imperialismus als Korrektive hervorbringen können. Japans Imperialismus kam laut Hofmann im Laufe des Krieges zum Stillstand und so sollte letzterer durch neue faschistische Impulse angetrieben werden. In Italien und Deutschland sei das Gegenteil der Fall gewesen. Expansionspolitik spielte eine maßgebliche Rolle, um Verbindungen zwischen den Empires einzugehen, wie DANIEL HEDINGER (Ludwig Maximilian Universität München) am Beispiel Italiens aufzeigte und als Imperial Nexus bezeichnete. Trotz der negativen Rezeption des Äthiopienfeldzuges in Japan wandelte sich das Bild, sobald dieser erfolgreich abgeschlossen wurde, um kurz darauf als Vorbild für Japans eigene Bestrebungen zu gelten. Diese Annährungen schufen eine erste Plattform für spätere Kooperationen.

Das zweite Panel fasste die Beiträge zusammen, die sich sowohl ideologisch als auch kulturell mit den faschistischen Regimes auseinandersetzten. BENJAMIN MARTIN (Uppsala University) veranschaulichte, wie diese aufstrebenden Länder ein globales Netzwerk staatlich gelenkter Institutionen gründeten, um einen kulturellen Feldzug gegen die Universalität der liberalen Großmächte zu beginnen. Dagegen hob GERHARD KREBS (Freie Universität Berlin) hervor, inwieweit die rassistische Ideologie der führenden japanischen sowie nationalsozialistischen Politiker einen trennenden Faktor darstellte. Krebs betonte, dass die deutsche Führungsriege Großbritannien als imperiales Vorbild sah und deshalb einen Pakt mit dem Britischen Empire bevorzugt hätte, während Japan selbst gegen die Herrschaft des „weißen Mannes“ Krieg führen wollte. In der Praxis verhinderte jedoch die Konkurrenzsituation den stattfindenden transnationalen Ideentransfer nicht, wie TATIANA LINKHOEVA (Ludwig Maximilian Universität München) am Beispiel der Debatten um den japanischen Faschismus in den frühen 1920er Jahren untersuchte. Ähnlich wie in Italien konnte die kurzlebige politische Organisation Keirin gakumei eine ideologische Brücke zwischen Nationalisten und Sozialisten schlagen und schuf somit einen politischen Präzedenzfall für spätere ultrarechte Bewegungen in Japan.

In ihrem Abendvortrag widmete sich VICTORIA DE GRAZIA (Columbia University) dem imperialen Wettkampf Italiens mit Großbritannien im Mittelmeer. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde der Versuch präsentiert, einerseits die Karriere des Kolonialministers Attilio Teruzzi in Abhängigkeit von der Rolle Italiens als Herausforderer der liberalen Ordnung und dies andererseits mit dem Nachleben des faschistischen Kolonialismus in Afrika zusammenzubringen.

Am zweiten Konferenztag griff im Rahmen des Panels zum „Empire-Building“ PATRICK BERNHARD (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam) den Faden zum Vortag unmittelbar auf und veranschaulichte, wie die italienische Kolonialerfahrung in Libyen in das von Deutschland besetzte Osteuropa, wie im Falle des Siedlungsbaus, übertragen wurde. Trotz unterschiedlicher rassistischer Weltanschauungen fand ein erhebliches Maß an Kooperation zwischen Deutschland und Italien auf der Ebene des Wissenstransfers statt. JANIS MIMURA (Stony Brook University) betonte, dass das Dritte Reich auch im fernen Mandschukuo präsent war. Das oftmals vernachlässigte Land im Nordosten Chinas war der Schauplatz eines regen Dialogs zwischen deutschen und japanischen Diplomaten, Geschäftsmännern und Agenten sowie der Annährungen, die 1936 zum Antikominternpakt führten.

Das nächste Panel befasste sich mit Ansätzen, welche – vom deutschen, italienischen oder japanischen Standpunkt aus betrachtet – entlegene Regionen der faschistischen Imperien in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung rückten. ROTEM KOWNER (University of Haifa) präsentierte, wie sich im japanisch besetzten Indonesien ein dichtes Netz bildete, um zwischen 1943 und 1945 einen militärischen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Japan zu ermöglichen. Vom japanisch besetzten Indonesien aus wurde per U-Boot Kautschuk in das Deutsche Reich transportiert. Im Gegenzug stellte das nationalsozialistische Deutschland seinem japanischen Bündnispartner Militärtechnologie zur Verfügung. Die Kehrseite des Engagements war alleridngs, dass durch den deutschen Einfluss zusätzliche anti-jüdische Maßnahmen in der Region eingeführt wurden. Wie stark sich die Achsenmächte gegenseitig beeinflussten, brachte auch KELLY HAMMOND (University of Arkansas) deutlich zum Ausdruck, die sich mit der japanischen Politik gegenüber Muslimen befasste. Wichtige Ressourcen wurden in Japan darauf gelenkt, um 1937 zusammen mit Italien einen Haddsch, eine Pilgerfahrt nach Mekka, zu organisieren, um dadurch die im Norden Chinas lebenden Muslime für sich zu gewinnen. Schließlich versuchte SANELA SCHMID (Nürnberg) durch die faschistische Vision von Gerechtigkeit und Stärke die Widersprüche der italienischen Besatzungspolitik in Kroatien aufzulösen. Durch die eigenständige Politik der italienischen Armee zum Schutze der Zivilbevölkerung inklusive der Juden und der Kollaboration mit den Tschetnik anstatt den Ustascha, geriet der Bündnispartner Italien in Konflikt mit den deutschen Interessen auf dem Balkan.

Das letzte Panel widmete sich der Frage, wie die imperiale Ideologie der Achsenmächte rezipiert wurde. KILIAN BARTIKOWSKI (Lancaster University) hob hervor, wie polarisiert die Perzeption der britischen Öffentlichkeit angesichts des italienischen Äthiopienfeldzugs war, ohne diesen einhellig zu verurteilen. Prominente Gegner des Kolonialismus wie Sylvia Pankhurst sowie Befürworter fanden gleichermaßen Platz in den öffentlichen Debatten. Dagegen widmete sich SHOHEI SAITO (Ludwig Maximilian Universität München) dem Innenleben des japanischen Reiches und seinem Verhältnis zum geopolitischen Konzept des Eurasismus. Während die russische Minderheit in Mandschukuo diese Idee als Schutzschild verstand, um ihre kulturelle Identität zu wahren, versuchte Japan gleichermaßen durch gezielte Publikationen diese Ideologie seinen imperialen Bedürfnissen entsprechend zu deuten. LAURA CERASI (Università Ca' Foscari Venezia) befasste sich mit der Frage, inwieweit der italienische Rekurs auf römische Wurzeln (Romanità) im neuen Italien dazu diente, dem Britischen Empire im Mittelmeer auf Augenhöhe zu begegnen. Sie kam zu dem Schluss, dass dieser Schritt letztlich dazu diente, das erfolgreiche britische Modell zu kopieren.

Eine Publikation der Beiträge ist in Vorbereitung und weitere Veranstaltungen werden folgen, doch kann bereits eine Zwischenbilanz gezogen werden: Im Workshop konnte die Frage nicht endgültig geklärt werden, ob letztendlich die Allianz zwischen Deutschland, Italien und Japan ein pragmatisches oder ein ideologisches Bündnis war. Allerdings haben die Beiträge ein oftmals unerwartetes und facettenreiches Bild der Achse gezeichnet. Indem der Fokus vom Zentrum auf die Peripherie gelenkt wurde, wurde nicht nur gezeigt, wie „durchlässig“ Hoheitsgebiete und staatliche Grenzen waren, sondern auch, dass die Diplomatie nur als einer von zahlreichen Kanälen verstanden werden kann, der die Achsenmächte vor und im Laufe des Krieges miteinander verband. Daran sollten zukünftige Untersuchungen anknüpfen, die über nationalstaatliche und historiographische Grenzen hinweg den Faschismus sowie den Zweiten Weltkrieg in ihrer globalen Dimension verstehen wollen.

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